Berlin/Stuttgart – Der flächendeckende Ausbau des Glasfasernetzes in Deutschland stößt teilweise nicht nur auf politischen Unwillen, sondern auch auf massive Investitionserfordernisse. Um alle Haushalte in der Bundesrepublik mit schnellem Internet zu versorgen, müssten zwischen 70 bis 80 Mrd. Euro ausgegeben werden. Eine Summe, für die der Staat nur bedingt einspringen kann.
Deutschland fällt zurück
„Beim Breitbandausbau rutschen wir im internationalen Maßstab immer mehr ab und liegen nur noch auf dem 40. Platz – Tendenz sinkend. Von den Netzbetreibern ist das nicht zu finanzieren. Man braucht rund 40 Jahre für die Refinanzierung. Im schnelllebigen Technologiegeschäft ist das nicht zu stemmen“, unterstreicht Netzwerkspezialist Bernd Stahl von Nash Technologies http://nashtech.de gegenüber pressetext.
Dem Branchenkenner nach kann der Staat allein schon aus europarechtlichen Gründen nicht als Investor komplett einspringen. Laut Stahl wäre als Alternative das Prinzip Raiffeisen in Betracht zu ziehen. „Grob über den Daumen geschätzt, hat man in Deutschland 40 Mio. Erwerbstätige. Wenn man die Gesamtsumme von 80 Mrd. Euro durch 40 Mio. teilt, kommt man auf 2.000 Euro. Ich würde diesen Betrag investieren. Damit hätte ich einen Anteil an einer breitbandigen Infrastruktur“, verdeutlicht Stahl.
Der Vorteil liegt laut dem Fachmann darin, dass man als Bürger die Sicherheit hätte, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren flächendeckend ausgebaut wird. Als Miteigentümer des Netzes sei man eher bereit, den Ausbau politisch mitzutragen. Entscheidend sei das dezentrale Investment. Zudem müsse nicht die gesamte Summe über Genossenschaften finanziert werden. Die großen Netzbetreiber seien jetzt schon dabei, kräftig für den Breitbandausbau zu finanzieren. Insofern könnte man eine gute Lastenteilung organisieren.
Fortschritt durch Infrastruktur
„Das Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2018 den flächendeckenden Breitbandausbau zu realisieren. Ohne dezentrale Initiativen ist das nicht zu erreichen“, prognostiziert Stahl. Was bislang in der Berliner Politik diskutiert werde, habe mit schnellem Internet und Breitbandausbau nicht viel zu tun: Da gehe es eher um die Nutzung der installierten Kupferleitungen auf der letzten Meile für ein bisschen schnelleres xDSL.
Das Vorantreiben der Digitalisierung über schnelle Internetverbindungen ist für viele Themen unabdingbar, etwa bei der Energiewende. Man könne auch beides kombinieren, ist Stahl überzeugt. „Wenn man bei dem einen über genossenschaftliche Konzepte nachdenkt, warum dann nicht auch bei dem anderen. Bei der Energiewende geht es um die Dezentralisierung“, erläutert Stahl. Auch wenn Deutschland häufig als Technologie-Vorreiter gelte, muss es im internationalen Wettbewerb aufpassen, nicht zum Entwicklungsland zu mutieren.“
Fortschritt brauche die entsprechende Infrastruktur, damit er nicht abgewürgt wird. Der Erfolg des Automobils in den vergangenen 100 Jahren wäre ohne eine funktionierende Infrastruktur bestehend aus Straßen, Tankstellen oder Werkstätten nicht denkbar gewesen. In gleicher Weise sei die Digitalisierung abhängig von einer leistungsfähigen Kommunikations-Infrastruktur, gehosteten Services in der Cloud, intelligenten Endgeräten, Häusern und Autos.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Gunnar Sohn
Glasfaser: Investitionskosten schrecken Betreiber ab (Foto: sxc.hu/Rotorhead)