Kollision vom 03.05.2012 am Skandinavienkai durch die Nils Holgersson: Erste Ermittlungsergebnisse

Am 03.05.2012 kollidierte um 18.15 Uhr das deutsche Passagierschiff „Nils Holgersson“ mit der am Skandinavienkai festgemachten Fähre „Urd“ und beschädigte diese bei einem Wendemanöver erheblich. Personen wurden bei dem Unfall nicht verletzt, der Sachschaden ist erheblich. Es entstand durch den Wulstbug der „Nils Holgersson“ an der Außenhaut der „Urd“ ein ca. 16 m² großes Loch in einem Trimmtank. Im oberen Decksbereich wurde die „Urd“ erheblich aufgerissen.

 

Die Beschädigung des Trimmtanks unterhalb der Wasserlinie setzte sich bis zum unteren Ladedeck fort. An der Zwischenwand zum unteren Ladedeck entstand ein senkrechter ca. 15 cm mal 2 Meter großer Riss.

 

Dadurch gelangte das Wasser über den beschädigten Trimmtank in den unteren Laderaum und flutete diesen vollständig. Dort waren bereits 14 Fahrzeuge verladen.

Zum Glück wurde dieser Laderaum kurz vorher nach oben hin geschlossen und man hatte zur Unglückszeit mit dem Verladen an Oberdeck begonnen.

Die Ermittlungen zum Unfallhergang führt die Wasserschutzpolizei Lübeck – Travemünde.

Es wurden technische Aufzeichnungen sichergestellt und mit den Aussagen der Zeugen und Verantwortlichen verglichen.

Die Sichtverhältnisse an diesem Tag waren gut und nicht eingeschränkt. Die Brücke war wie üblich entsprechend besetzt. Die Schiffsführung leitete ein routinemäßiges Wendemanöver ein, um rückwärts am Anleger 6a fest zu machen. Ein Lotse war nicht an Bord, da der Kapitän als sog. Freifahrer regelmäßig den Travemünder Hafen ansteuert.

Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand kann davon ausgegangen werden, dass kein technischer Defekt vorlag.

Die Kollision ist vermutlich auf das Fehlverhalten des Schiffsführers zurückzuführen.

Alkoholgenuss bei den Verantwortlichen konnte durch die Wasserschutzpolizei ausgeschlossen werden.

Die Polizei ermittelt wegen einer Gefährdung des Schiffsverkehrs. Ein entsprechendes Strafverfahren wurde in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Lübeck eingeleitet.

Das 191 m lange Passierschiff „Nils Holgersson“ ist mit einem SSP-Ruderanlagen- und Antriebssystem ausgestattet ( Propellergondel, ähnlich eines Schottelantriebs), das es ermöglicht, die am Heck angebrachten Gondeln mit den Schiffsschrauben in jede Richtung zu verdrehen. Diese Antriebsanlage gibt dem Schiff eine einzigartige Manövrierfähigkeit in engen Gewässern ohne Ruderblatt.

Bei dem SSP-Schiffsantrieb ( Siemens-Schottel-Propulsor ) handelt es sich um einen Elektromotor, der unterhalb des Schiffes in einer Gondel platziert ist und die Propeller direkt antreibt. Durch die beliebige Drehbarkeit dieser Gondel übernimmt der Podantrieb zugleich die Funktion des Ruders. Dadurch ist auch bei niedrigen Schiffsgeschwindigkeiten, wie zum Beispiel im Hafen, eine sehr gute Manövrierfähigkeit des Schiffes gegeben.

Das Antriebssystem wird zum Manöverieren während der Revierfahrt so eingestellt, dass sich die Propellergondeln um 360 Grad drehen lassen( Revierbetrieb). Bei Verlassen des Hafens auf freier See wird die Anlage für die Reise so umgeschaltet, dass sich die Propellergondeln bei einem evtl. Manöver nur noch bis zu 35 Grad nach Backbord oder Steuerbord drehen lassen(Seebetrieb). In dieser Einstellung ist es aus Sicherheitsgründen nicht möglich, den Antrieb um 180 Grad auf „Maschine zurück“ zu drehen. Ein solches Manöver würde den gesamten Antrieb beschädigen.

Als die „Nils Holgersson“ am 03.05.2012, um 18.15 Uhr, nach Travemünde einlief, wollte die Schiffsführung im Wendebecken der Siechenbucht ein Drehmanöver durchführen.

Zu diesem Zeitpunkt war aber die Antriebsanlage nicht auf den „Revierbetrieb“ umgeschaltet, so dass der Kapitän an Bord kein Rückwärtsmanöver einleiten konnte.

Mit dem Bugstrahlruder sollte das Manöver unterstützt werden. Ein Zusammenstoß konnte jedoch nicht mehr verhindert werden. Die Schiffsführung gab kurz vor dem Zusammenstoß ein lang anhaltendes Warnsignal.

Eine Untersuchung der „ Nils Holgersson“ durch die Schiffssicherheitsbehörden (BG-Verkehr) aus Hamburg hat bei dem Schiff zur Unfallzeit keine technische Störung ergeben. Nach der Besichtigung wurde eine einmalige Fahrt in eine schwedische Werft nach Landskrona unter Auflagen gestattet. Sie ist bereits am Abend des 04.05.2012 ausgelaufen.

Die stark beschädigte „Urd“ liegt noch am Skandinavienkai fest. Nachdem das Wasser aus dem unteren Ladedeck mit eigenen Pumpen gelenzt wurde und 14 Fahrzeuge am 07.05.2012 heraus gezogen werden sollen, muss die Fähre erst einmal untersucht werden. Wann und wo sie repariert werden soll, steht noch nicht fest.

Die Ermittlungen dauern an.

Wasserschutzpolizeirevier Lübeck – Travemünde