Bad Nauheim – Ab dem 13. April wird in Trier einer der bedeutendsten abendländischen Kulturschätze überhaupt zu sehen sein: der Heilig Rock. Denn 16 Jahre nach der letzten findet in Deutschlands ältester Stadt nun wieder eine Heilig-Rock-Wallfahrt statt. Wann es danach nochmals Gelegenheit geben wird, diese besondere Reliquie zu betrachten, ist ungewiss, denn die Wallfahrt unterliegt keinem regelmäßigen Turnus.
Nach seiner Kreuzigung wurde der Leibrock Jesu Christi unter den Soldaten verlost, wie das Evangelium nach Johannes besagt. Heute befindet er sich in der Heilig-Rock-Kapelle des Trierer Doms, wo er üblicherweise verschlossen aufbewahrt wird. Die erste öffentliche Präsentation des Gewands fand im Jahr 1512 unter Kaiser Maximilian I. statt, also vor exakt 500 Jahren. Nun kann die Reliquie vom 13. April bis 13. Mai täglich in der Pilgerzeit zwischen 10.30 Uhr und 21 Uhr gesehen werden. Während der Wallfahrt gibt es in Trier neben Gottesdiensten weitere geistliche Angebote von Gemeinschaften, Ausstellungen und Konzerten ( http://www.heilig-rock-wallfahrt.de ).
Der Legende nach wurde das Gewand Jesu durch die Heilige Helena, Mutter Konstantins des Großen, nach Trier gebracht. Konstantin war nicht nur römischer Kaiser, sondern auch ein großer Förderer der damals noch recht jungen Religion. Trier wurde zu seiner ersten Kaiserresidenz und von Konstantins realisierten Bauprogramm des vierten Jahrhunderts zeugen noch heute monumentale Bauten in der Stadt. Im Jahr 312 war Konstantin zum Herrscher des Weströmischen Reiches aufgestiegen, indem er die Schlacht bei der Milvischen Brücke für sich entschied. Die Erscheinung eines christlichen Kreuzes am Vorabend überzeugte ihn davon, dass er seinen Sieg allein Gottes Hilfe zu verdanken habe. Er stärkte die Stellung der Bischöfe innerhalb des Reiches, ließ Kirchen errichten und wichtige Ämter an christliche Gläubige vergeben.
„Die Bedeutung Konstantins für die Entwicklung des Christentums und somit die Entwicklung unserer gesamten europäischen Kultur ist enorm und bis heute prägend“, erklärt Björn Rudek, Geschäftsführer des Vereins Historic Highlights of Germany e.V. (HHoG), in dem neben Trier 12 weitere Städte mit bedeutendem historischen Erbe zusammengeschlossen sind. „Nachdem Konstantin 325 zum alleinigen Kaiser des gesamten römischen Reiches aufgestiegen war, hielt er das erste ökumenische Konzil überhaupt ab, dessen Glaubensbekenntnis noch heute die Glaubensgrundlage vieler Christen darstellt.“
Die Stadt Trier erwartet zur Heilig-Rock-Wallfahrt rund 500.000 Menschen. Immerhin handelt es sich bei der Tunika von Jesus um eine der bedeutendsten Christusreliquien überhaupt. Christusreliquien sollten nach Überzeugung der Gläubigen vom Leib und Blut Jesu Christi stammen oder mit ihm in Berührung gekommen sein. Allgemein bezeichnet man als Reliquien körperliche Überreste eines Heiligen oder Gegenstände aus dessen Besitz. „Der Reliquienkult ist bereits seit dem 2. Jahrhundert überliefert“, so Rudek. „Spätestens seit dem 5. Jahrhundert werden in fast jeder Kirche Reliquien aufbewahrt.“ Ihnen seien übernatürliche Kräfte zugesprochen worden, was die Popularität der Kirchen erhöhte. Durch großzügige Spenden der Pilger konnten die Kirchen zu prächtigen Stätten der Wallfahrt ausgebaut werden.
Auch von weltlichen Herrschern wurden Reliquien geschätzt, da sie durch ihre Anziehung auf Christen einen großen materiellen Wert repräsentierten. Björn Rudek: „Reliquien stellen sehr bedeutsame Zeugnisse des sogenannten christlichen Abendlandes dar und doch lässt sich mehr und mehr ein Wandel des traditionellen Reliquienverständnisses feststellen.“ So sei im Falle des Heilig Rocks mittlerweile die Bedeutung als ein auf Jesus Christus verweisendes Symbol von zentraler Bedeutung, kulturhistorisch betrachtet sind diese einmaligen Domschätze eine Entdeckungsreise wert.
Diese Entdeckungsreise führt durch ganz Deutschland. Einige der 13 Mitgliedsstädte von Historic Highlights of Germany verfügen über einzigartige Reliquien in ihren Kirchen und Domschatzkammern. In Trier befindet sich neben dem Heiligen Rock auch das Grab des heiligen Matthias, das einzige Apostelgrab auf deutschem Boden und nördlich der Alpen.
Im Freiburger Münsterschatz steht ein Büstenreliquiar aus dem Jahr 1514, in dem die Schädelreliquie Lamberts aufbewahrt wird. Lambert war im 7. Jahrhundert Bischof von Maastricht und wirkte an der Christianisierung der Heiden mit. Crispin und Crispinian waren Märtyrer, die bereits im 3. Jahrhundert für ihren unerschütterlichen Glauben sterben mussten. Ihre Gebeine befinden sich im Norden Deutschlands, in Osnabrück. Hier bewahrt die Domschatzkammer seit über einem Jahrtausend liturgische Geräte und Reliquiare aus Gold, Silber, Elfenbein und Bergkristall auf. Die kostbaren Stücke werden zum Teil bis heute im Gottesdienst verwendet.
Über die beachtliche Zahl von 45 Bischofsgräbern verfügt der Dom in Mainz. Der Mainzer Domschatz galt zudem über Jahrhunderte hinweg als einer der kostbarsten des Abendlandes. Die Schatzkammer des Domes umfasst viele besondere Glanzstücke. Eines davon ist der Pontifikalschuh von Bischof Colmar, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts unermüdlich um sein Bistum gekümmert hatte. Nach den Wirren der Französischen Revolution, in denen das alte Erzbistum Mainz unterging, begann Bischof Colmar mit dem Wiederaufbau des schwer beschädigten Domes und sicherte somit das heutige Wahrzeichen der Stadt Mainz.
„In den christlichen Bauwerken deutscher Städte ruhen unzählige Schätze unserer Kultur, die untrennbar mit dem Christentum und der europäischen Geschichte verknüpft sind. Reisende aus allen Teilen der Welt schätzen die spannende Möglichkeit, so mehr über Europa und seine Entstehungsgeschichte, aber auch unser Denken und unsere Wertevorstellungen zu erfahren“, fasst Björn Rudek abschließend die interkulturelle Bedeutung zusammen. Weitere Informationen zu allen Städten finden Interessierte auf http://www.historicgermany.com .
Historic Highlights of Germany e.V.Ansprechpartner: Björn Rudek
Hohe Domkirche St. Peter zu Trier