- Ein Jahr nach Angriff auf Schulbus im Jemen leiden die Überlebenden noch immer unter den Folgen
- Save the Children fordert Bestrafung der Täter
Sanaa, 09.08.19 – Ein Jahr nach dem Luftangriff auf einen Schulbus im Jemen haben sich die überlebenden Kinder noch nicht von ihren körperlichen und seelischen Verletzungen erholt…
Bei dem Angriff der von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Militärkoalition auf einem Marktplatz in Saada am 9. August 2018 wurden 40 Kinder getötet und Dutzende weitere verletzt. Save the Children sprach anlässlich des Jahrestags mit betroffenen Kindern. Sie berichten von Ängsten, Albträumen und körperlichen Leiden, die sie bis heute im alltäglichen Leben beeinträchtigen.
Derweil kommen die Verantwortlichen für solche Angriffe straffrei davon. „Seit dem Angriff auf den Schulbus gab es keine Gerechtigkeit für die Opfer, die Überlebenden und ihre Familien“, beklagt Jason Lee, stellvertretender Länderdirektor von Save the Children im Jemen. „Jeden Tag gehen die schweren Kinderrechtsverletzungen im Jemen weiter. Die Staatengemeinschaft muss dafür sorgen, dass Verstöße gegen internationales Recht geahndet und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.“
„Im Jemen töten die Konfliktparteien Kinder, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen“, sagt Lee. „Das muss aufhören! Staaten können und müssen den Druck erhöhen, damit dieses Blutvergießen ein Ende hat.“
Save the Children sprach mit drei Jungen, die den Angriff überlebten und anschließend von der Kinderrechtsorganisation unterstützt wurden. „Ich habe noch einen Granatsplitter im Kopf“, sagt der 12-jährige Khaled*. „Manchmal habe ich Kopfschmerzen. Ich kann nicht zur Schule gehen, weil mein verletztes Bein noch nicht geheilt ist und wir kein Auto haben.“
Khaled ist schwer traumatisiert: „Nachts habe ich schreckliche Träume. Ich sehe dann wieder alles vor mir und weine die ganze Nacht durch. Früher hatte ich immer Spaß mit meinen Freunden, aber das ist vorbei. Ich kann nicht mehr mit ihnen draußen spielen. Weil ich den Splitter im Kopf habe, bin ich vergesslich geworden.“
Auch der 8-jährige Ismail* wird von den Gedanken an das Erlebte geplagt. Sein Vater Saif* berichtet: „Mein Sohn fragt mich immer noch nach dem Vorfall, er will verstehen, was mit ihm passiert ist. Er erinnert sich nur daran, dass er sich an etwas festhielt, dann lag er plötzlich auf dem Boden. Immer, wenn er daran denkt, muss er weinen. Ismail ist innerlich sehr verletzt und fühlt sich nicht mehr lebendig. Wir versuchen, ihn aufzumuntern, aber wir müssen selbst immer weinen.“
Zehntausenden Kindern im Jemen hat der Krieg erhebliche physische und psychische Wunden zugefügt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018, für die fast 1000 Kinder in Sanaa befragt wurden, haben 79 Prozent der Kinder infolge des Konflikts schwere psychische Probleme.
„Wir brauchen mehr Möglichkeiten, um diesen Kindern zu helfen“, fordert Jason Lee. „Die Programme für psychologische Unterstützung sind aber unterfinanziert und es fehlt an Expertise im Land.“
Zwischen April 2013 und Ende 2018 wurden bei Kampfhandlungen im Jemen 2776 Kinder getötet und 4732 verletzt. In den ersten sieben Monaten 2019 wurden 416 Kinder verletzt und fast 196 weitere getötet. Rund 7,4 Millionen jemenitische Kinder brauchen Hilfe und Schutz, weil sie in umkämpften Gebieten leben. Mehr als die Hälfte dieser Kinder, 4,3 Millionen, sind auf lebenswichtige Hilfe angewiesen.
Die Kinderrechtsaktivistin Eglantyne Jebb, die Save the Children vor 100 Jahren gründete, sagte: „Jeder Krieg ist ein Krieg gegen Kinder.“ In diesem Sinne fordert Save the Children gerade jetzt im Jubiläumsjahr, dass Kinder in Konflikten besonders geschützt werden müssen: Kein Krieg gegen Kinder! In einer aktuellen Petition fordert Save the Children darüber hinaus, dass die Sicherheit von Schulen Bestandteil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wird.
*Namen geändert.
Aussender: Susanne Sawadogo, Save the Children Deutschland e.V.
Redaktion: Torben Gösch