- 50 Prozent müssen nutzungsfrei werden
Berlin, 07.06.19 – Zum Internationalen Tag des Meeres am 8. Juni fordert der NABU die Bundesregierung und die Küstenbundesländer auf, die Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee endlich ernsthaft umzusetzen und dadurch bedrohte Arten und Lebensräume besser zu schützen…
„Angesichts der dramatischen Zahlen des Weltbiodiversitätsberichts zum Zustand der Natur können wir uns Schutzgebiete, die nur auf dem Papier existieren, nicht mehr leisten. 50 Prozent der Meeresschutzgebiete müssen zu nutzungsfreien Zonen werden. Die Hälfte der Natura-2000-Gebiete muss Schweinswalen, Seevögeln und Seegraswiesen vorbehalten sein“, sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Weltweit drohen laut Report des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) bis zu eine Million Arten auszusterben. Davon sind auch die Ozeane betroffen. Sie sind industrialisiert, verschmutzt und bereits auf 60 Prozent ihrer Fläche stark geschädigt. Auch der Nord- und Ostsee geht es nicht besser. Ein Drittel der Arten sind bedroht und stehen auf der Roten Liste. „Das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 kann in seiner heutigen Umsetzung Arten und Lebensräume nicht schützen. Selbst in den Meeresschutzgebieten wird flächendeckend gefischt, werden Rohstoffe abgebaut und für Gaspipelines der Meeresboden umgepflügt. Unser tägliches Handeln konterkariert europäische Naturschutzziele und sägt an dem Ast, auf dem wir sitzen“, kritisiert NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff.
In einer Naturbewusstseinsstudie des Bundesamtes für Naturschutz hatten sich 93 Prozent der Menschen für mehr Meeresschutzgebiete ausgesprochen. Mehr als 90 Prozent meinten, dass Fischerei und Gaspipelines nicht in diese Gebiete gehören. „Die Politik ist in Erklärungsnot und stellt sich mit ihrer Klientelpolitik gegen die eigene Bevölkerung und gegen geltendes EU-Umweltrecht. Inzwischen hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. So darf es nicht weitergehen“, so Detloff.
Der NABU fordert ein Zonierungskonzept für die deutschen Meeresschutzgebiete. Die Hälfte der Schutzgebietsfläche muss frei von schädlichen Nutzungen bleiben. International haben sich diese sogenannten „No-Take-Areas“ bewährt. Die Natur erholt sich schneller, Artenvielfalt, Biomasse und auch die Größe der Individuen steigen an. Nur durch diese ungenutzten Bereiche entstehen Rückzugsräume für bedrohte Arten und Lebensräume. Detloff: „Durch sich erholende Fischbestände und gesunde Seegraswiesen als natürliche Klimaschutzmaßnahmen profitieren davon letztlich auch wir Menschen.“
Hintergrund
Deutschland hat 45 Prozent seiner Nord- und Ostseegewässer unter den Schutz von Natura 2000 gestellt. Dazu zählen die Schutzgebiete nach Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und EU-Vogelschutzrichtlinie. Sie sollen insbesondere Schweinswale, seltene Seevögel sowie artenreiche Riffe, Sandbänke und Seegraswiesen schützen. Mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Anerkennung durch die Europäische Kommission fehlen für viele Schutzgebiete noch immer Managementpläne, die schädliche Eingriffe wie die Fischerei, Schifffahrt oder Kies- und Sandabbau effektiv regulieren können.
Mehr Informationen: http://ots.de/T3kQ9w
Kathrin Klinkusch, NABU-Pressestelle
Redaktion: Torben Gösch