München, 04.02.19 – Die horrenden Preise für moderne Krebstherapien überlasten die Gesundheitssysteme und behindern den Zugang von Patienten zu lebenswichtigen Medikamenten…
Die Ursache ist ein fehlgeleitetes Patentsystem. Anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar fordert Ärzte der Welt die Regierungen dazu auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um diesen Patentmissbrauch zu verhindern.
Die Zahl der Krebsdiagnosen wächst und liegt in Europa inzwischen bei rund 3,7 Millionen im Jahr. Begleitet wird diese Entwicklung von einem weiteren besorgniserregenden Trend: Die steigenden Kosten neuer Therapien. Dass eine Krebsbehandlung zwischen 50.000 und 90.000 Euro pro Jahr und Patient kostet, ist nichts Ungewöhnliches mehr. Doch damit ist das Limit noch lange nicht erreicht: Die vor einigen Monaten in Europa zugelassenen sogenannten Car-T-Zell-Therapien schlagen mit zwischen 300.000 und 350.000 Euro pro Patient zu Buche. Vor diesem Hintergrund wird es den staatlichen Gesundheitssystemen immer schwerer fallen, den Zugang jedes Patienten und jeder Patientin zu den bestmöglichen Medikamenten sicherzustellen.
Die exorbitanten Preise werden hervorgebracht durch ein Patentsystem, das es großen Pharmaunternehmen ermöglicht, zwanzig Jahre alte Monopole aufrecht zu erhalten, und garantiert, dass sie keinen Wettbewerb durch Generika oder Biosimilare, also ähnliche Nachahmerpräparate, fürchten müssen.
Lange Zeit waren Patente auf medizinische Wirkstoffe darauf ausgerichtet, Forschung und Entwicklung voranzutreiben. Doch das Patentsystem ist erheblich von seinen ursprünglichen Prinzipien abgerückt und zunehmend Missbrauch ausgesetzt.
Tatsache ist, dass die Pharmariesen nur wenig in Forschung investieren. Neue Präparate werden von Start-Ups hervorgebracht und dann für hohe Preise – oft im Milliardenbereich – von großen Unternehmen gekauft. Yescarta®, die CAR-T-Zelltherapie von Gilead, wurde zum Beispiel nicht von dem Konzern selbst, sondern von Kite Pharma entwickelt, das Gilead 2017 für 12 Milliarden Dollar gekauft hat.
Klar ist auch, dass die hohen Summen, die den Staaten aufgebürdet werden, die Kosten für Fusionen und Übernahmen enthalten. Damit kommen die Bürger mit ihren Steuern und Versicherungsbeiträgen für diese spekulativen Deals auf. Die Regierungen beteiligen sich also an einem Missbrauch von Steuergeldern für den privaten Profit – auf Kosten der Gesundheit und der Leben der Erkrankten.
Als die Regeln für pharmazeutische Patente festgelegt wurden, haben die Staaten Zwangslizenzen vorgesehen, um Monopole zu umgehen, wenn es für die öffentliche Gesundheit notwendig war. Dieses Werkzeug, das inzwischen völkerrechtlich anerkannt ist, erinnert daran, dass das Grundrecht auf den Zugang zu medizinischer Versorgung Bedingung für Arzneimittelpatente sein muss.
Regierungen haben die Pflicht, sicherzustellen, dass ihre Gesundheitssysteme zukunftsfähig sind. Sie müssen dem Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle gegenüber den privaten Interessen Weniger Priorität einzuräumen. Auf dem Spiel steht nichts weniger als unsere Gesundheit und unser Leben.
Aussender: Stephanie Kirchner, Ärzte der Welt e.V.
Redaktion: Torben Gösch