Minister Albrecht überreicht Genehmigungsbescheid für Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel

KIEL, 21.12.18 – Ein Meilenstein auf dem Weg zur Vollendung des Atomausstiegs in Schleswig-Holstein: Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht überreichte heute (21. Dezember) die Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel (KKB) im Kieler Landeshaus dem Vattenfall-Generalbevollmächtigten für Hamburg und Norddeutschland, Pieter Wasmuth…

„Auf diesen Moment haben viele Menschen seit Jahren gewartet. Der Atomausstieg wird nun auch in Schleswig-Holstein für jedermann sichtbar. Das Kernkraftwerk Brunsbüttel wird endlich abgebaut“, sagte Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht.

„Mit der jetzt erteilten Genehmigung geht das Kraftwerk vom Nachbetrieb in die Stilllegung über. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, der mit einer grünen Wiese an der Stelle des Kraftwerks enden wird. Der Rückbau eines Kernkraftwerks ist eine technisch gelöste Aufgabe“, sagte Pieter Wasmuth.

Der Abbau des Kernkraftwerks wird sich voraussichtlich über rund 15 Jahre erstrecken. Im Anschluss werden sich am Standort aller Voraussicht nach noch das Gebäude des Standort-Zwischenlagers für Kernbrennstoffe (SZB) und das neue Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (LasmA) befinden. Hierfür laufen die Genehmigungsverfahren noch.

Das Kernkraftwerk Brunsbüttel ist 1976 ans Netz gegangen – seit 2007 ist es dauerhaft abgeschaltet. Durch die 13. Novelle des Atomgesetzes (Atomausstiegsbeschluss) hat das Kraftwerk 2011 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren und befindet sich seither im sogenannten Nachbetrieb. Hierbei wurden bereits zahlreiche stilllegungsvorbereitende Maßnahmen durchgeführt, mit dem eigentlichen Abbau durfte aber noch nicht begonnen werden. Zu den vorbereitenden Maßnahmen zählte unter anderem die Herbeiführung der Kernbrennstofffreiheit. „Ein Genehmigungsbescheid für ein abgeschaltetes Kernkraftwerk muss mit gleicher Sorgfalt erarbeitet werden wie ein Genehmigungsbescheid für eine Anlage im Leistungsbetrieb“, sagte Albrecht. Der Strahlenschutz habe auch dabei oberste Priorität. Schließlich befinde sich in einem Kernkraftwerk, das vor mehr als 40 Jahren in Betrieb gegangen ist, ein erhebliches Inventar an radioaktiven Stoffen und damit Risikopotenzial für gesundheitliche Belastungen, vor denen die Bevölkerung und das Personal bestmöglich geschützt werden müsse, so der Minister.

Der Genehmigungsbescheid umfasst insgesamt über 700 Seiten. Er enthält unter anderem eine vollständige Neuregelung der zulässigen radioaktiven Ableitungen (Fortluft und Abwasser) und des Umgangs mit schwach- und mittelradioaktiven Stoffen sowie eine Vielzahl an Auflagen. Die Ableitungswerte wurden gegenüber den bisherigen Werten teilweise deutlich reduziert und unterschreiten die gesetzlichen Grenzwerte. Ferner werden im Genehmigungsbescheid auch Rahmenbedingungen für die atomrechtlichen Freigaben festgelegt. Hier geht es um ein Verfahren, nach dem Stoffe, die der atomrechtlichen Überwachung unterliegen und damit als potentiell radioaktiv gelten, aus dem Bereich des Strahlenschutzrechts entlassen werden können. Hierzu muss nachgewiesen werden, dass von ihnen lediglich eine zu vernachlässigende, deutlich unterhalb der natürlichen Schwankungsbreite liegende Strahlung ausgeht. Jede einzelne Freigabe bedarf nach der in der Genehmigung enthaltenen Regelung noch einmal einer ausdrücklichen Zustimmung der Reaktorsicherheitsbehörde, in deren Rahmen sie sich unter Einschaltung eigener Sachverständiger von der Ordnungsmäßigkeit der Messungen und Dokumentation überzeugt. Eine Festlegung bestimmter konventioneller Entsorgungsbetriebe (z.B. von Deponien) für diese Stoffe ist mit der Genehmigung nicht verbunden. Ein Großteil wird ohnehin nach den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem abfallrechtlichen Verwertungsgebot, beispielsweise im Straßen- und Brückenbau wiederverwendet.

Für einzelne Abbauschritte, die noch nicht der hier genehmigten Abbauphase 1 sondern der Abbauphase 2 zugeordnet sind, bedarf es noch einer weiteren Genehmigung, der sogenannten zweiten Abbaugenehmigung. Hierzu zählt insbesondere der Abbau des Reaktordruckbehälters. Alle Abbauschritte werden zudem im Wege der Aufsicht engmaschig überwacht. Auch hier sind viele Schritte wie beispielsweise die Stillsetzung von Systemen noch zusätzlich von einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde abhängig. Damit kann sichergestellt werden, dass für die konkrete Tätigkeit aufgrund der dann konkret vorliegenden Rand- und Rahmenbedingungen (z.B. radiologische Gegebenheiten bei einzelnen Komponenten oder Raumbereichen, Eignung bestimmter Zerlegemethoden oder -einrichtungen, Rückwirkungsfreiheit auf den Restbetrieb) das Gebot der Strahlenminimierung bestmöglich beachtet wird.

Für das Genehmigungsverfahren erhebt das Land eine Gebühr von einer Million Euro von der Betreibergesellschaft.

Hintergrund zu Inhalten und zum Verlauf des Genehmigungsverfahrens…

Vorbemerkung: Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich allein auf den Genehmigungsbescheid des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) vom 21. Dezember 2018 zu Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel. Die Betreibergesellschaft KKB GmbH & Co. oHG hatte mit ihrem Antrag nach § 7 der Strahlenschutzverordnung vom 5. Mai 2014 und ihrem Bauantrag vom 7. Juli 2014 außerdem noch Anträge für die Errichtung und den Betrieb eines Lagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (LasmA) auf dem Gelände des Kernkraftwerks gestellt. Hierüber ist noch nicht entschieden worden.

Am 1. November 2012 beantragte die Vattenfall-Betreibergesellschaft des Kernkraftwerks Brunsbüttel (KKB) bei der schleswig-holsteinischen Reaktorsicherheitsbehörde (Energiewendeministerium als atomrechtliche Genehmigungsbehörde) gemäß § 7 Absatz 3 des Atomgesetzes die Stilllegung und den Abbau (Phase 1) des Kernkraftwerks Brunsbüttel. Der Antrag wurde am 19. Dezember 2014 insbesondere hinsichtlich der Ableitungswerte radioaktiver Stoffe mit der Luft präzisiert. Die Betreibergesellschaft legte sich darauf fest, gesonderte Genehmigungsbescheide für zwei unterschiedliche Abbauphasen zu beantragen. Der Abbau des Reaktordruckbehälters soll erst in der noch zu beantragenden Phase 2 erfolgen.

Als zentralen Sachverständigen für die Begutachtung im Genehmigungsverfahren sowie von Stilllegung und Abbau des KKB nach Genehmigungserteilung beauftragte die Reaktorsicherheitsbehörde ein Konsortium unter Führung des TÜV NORD.

Bevor die Stilllegung beziehungsweise der Abbau des Kernkraftwerks genehmigt werden konnte, musste unter anderem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Dafür fand zunächst am 18. Dezember 2013 ein sogenannter Scoping-Termin statt. Dieser Termin diente der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde dazu, gegenüber der Betreibergesellschaft den Untersuchungsrahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zu bestimmen sowie Art und Umfang der nötigen Unterlagen zur Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen festzulegen. An dem Termin nahmen neben Reaktorsicherheitsbehörde und Betreibergesellschaft auch die für Teilbereiche außerhalb des Atomrechts zuständigen Behörden, spezialisierte Sachverständige sowie Umweltverbände und Bürgerinitiativen teil. Die Ergebnisse des Termins dienten der Reaktorsicherheitsbehörde dazu, der Betreibergesellschaft vorzugeben, in welchem Umfang und mit welchen Einzelheiten die Umweltauswirkungen des Vorhabens zu beschreiben und nach welchen Maßstäben und Verfahren diese Auswirkungen zu bewerten sind. Die Betreibergesellschaft erstellte daraufhin eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) unter Berücksichtigung der behördlichen Anforderungen.

Die UVU wurde im Anschluss zusammen mit weiteren von der Betreibergesellschaft vorgelegten Dokumenten der Öffentlichkeit vorgestellt. Bei diesen weiteren Dokumenten handelte es sich vor allem um einen Sicherheitsbericht. Nach der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung hat der Sicherheitsbericht insbesondere die Aufgabe, Dritten die Beurteilung zu ermöglichen, ob sie durch die Auswirkungen, die mit den insgesamt geplanten Maßnahmen zur Stilllegung und zum Abbau von Anlagenteilen des KKB verbunden sind, in ihren Rechten verletzt werden können. Außerdem legte die Betreibergesellschaft eine Kurzbeschreibung des Vorhabens vor. Mit dieser sollten gemäß Atomrecht die geplanten Maßnahmen und deren voraussichtliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit und die Nachbarschaft noch einmal wesentlich kürzer und allgemeinverständlicher als im Sicherheitsbericht dargelegt werden.

Diese Unterlagen sowie den Genehmigungsantrag und dessen Präzisierung legte die Reaktorsicherheitsbehörde vom 24. Februar bis zum 24. April 2015 öffentlich in Kiel sowie im Rathaus in Brunsbüttel aus. Somit konnten sich Dritte anhand dieser Unterlagen einen Überblick über das Gesamtvorhaben verschaffen und bekamen die Gelegenheit, innerhalb der Auslegungsfrist gegen das Vorhaben schriftlich Einwendungen zu erheben. Im Vorfeld des Erörterungstermins übermittelte die Reaktorsicherheitsbehörde die von 897 Personen und Institutionen erhobenen Einwendungen der Betreibergesellschaft, um ihr Gelegenheit zu geben, sich ein Bild davon zu machen, was in der Öffentlichkeit an dem geplanten Vorhaben kritisiert wird. Es ging dabei unter anderem um die Anforderungen an Stilllegung und Abbau, um den Strahlenschutz, die radioaktiven Abfälle, den Transport und die Lagerung oder auch um die Voraussetzungen für die Entlassung von Abbaumaterial aus dem Atomrecht.

Der Erörterungstermin fand am 6. und 7. Juli 2015 im Elbeforum in Brunsbüttel statt. Dort bekamen alle Personen, die rechtzeitig Einwendungen erhoben hatten, die Gelegenheit, ihre schriftlichen Einwendungen mündlich zu erläutern. Die Betreibergesellschaft konnte hierzu Stellung nehmen. Die Reaktorsicherheitsbehörde befragte auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Behörden und Sachverständige zu einzelnen Aspekten. So konnte bei der Reaktorsicherheitsbehörde ein Verständnis für die Einwendungen geschaffen werden, das ihr im Folgenden eine sachgerechte Prüfung ermöglichte.

Die Betreibergesellschaft reichte in der Folgezeit noch eine Fülle von Fachberichten und geplanten betrieblichen Regelungen (z.B. Strahlenschutzordnung, Verfahrensregelung bei Abbaumaßnamen) bei der Reaktorsicherheitsbehörde ein, um die im Sicherheitsbericht enthaltenen Aussagen weiter zu konkretisieren und zu belegen. Insgesamt handelte es sich um mehr als 50 Dokumente (zuzüglich Anlagen), die häufig nachfolgend durch Revisionen ergänzt wurden. Die Reaktorsicherheitsbehörde veröffentlichte – unter Berücksichtigung von Geheimschutz- oder Datenschutzanforderungen – den größten Teil dieser Dokumente im Internet.

Neben der Prüfung und Bewertung aller Genehmigungsunterlagen und der Auswertung des Erörterungstermins prüfte die Reaktorsicherheitsbehörde die von der Betreibergesellschaft vorgelegte Umweltverträglichkeitsuntersuchung und erstellte eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen während Stilllegung und Abbau des KKB. Außerdem führte die Reaktorsicherheitsbehörde noch eine abschließende Behördenbeteiligung zum Gesamtvorhaben durch.

Am 2. Juni 2016 gab die gemäß Artikel 37 EURATOM-Vertrag zu beteiligende Europäische Kommission eine positive Stellungnahme zum Gesamtvorhaben von Stilllegung und Abbau ab. Nach Prüfung des Sicherheitsgutachtens des Sachverständigenkonsortiums, detaillierter Bewertung aller Genehmigungsvoraussetzungen mit positivem Abschluss und Beteiligung des Bundesumweltministeriums erteilte die Reaktorsicherheitsbehörde am 21. Dezember 2018 schließlich die erste Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau des KKB.

Die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung beinhaltet – anders als die Betriebsgenehmigung – keine Berechtigung zum Umgang mit Kernbrennstoff. Die im Gebäude des Standortzwischenlagers befindlichen Brennelemente müssen dort auf Grundlage der jetzt auf alle 20 CASTOR-Behälter erstreckten aufsichtlichen Anordnung aufbewahrt werden. Das beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) anhängige Neugenehmigungsverfahren ist vom vorliegenden Verfahren unabhängig und noch nicht abgeschlossen.

Die Reaktorsicherheitsbehörde wird gemäß Atomrechtlicher Verfahrensverordnung den Genehmigungsbescheid Anfang des kommenden Jahres auch öffentlich bekanntmachen. Im Anschluss haben dann die Personen, die Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben haben, die Gelegenheit, Klage zu erheben, wenn sie dies für erforderlich halten.

Weitere Informationen finden Sie unter www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/R/reaktorsicherheit/faq_KKW.html

Aussender: Jana Ohlhoff und Joschka Touré, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung