Kiel, 07.11.18 – In seiner Rede zu TOP 9 (Änderung des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes) erklärt der polizeipolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jörg Hansen…
„Meine erste Reaktion auf die Forderung der GdP zum Taser als Praktiker war: ‚Taser? Was sollen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte denn noch al-les am Gürtel mit sich rumschleppen?‘ Da gibt es mit Schusswaffe, Hand-schellen und Schlagstock doch bereits genug Dinge. Und tatsächlich sollten wir die Einsatzrealität nicht unberücksichtigt lassen und über mögliche Nachteile sprechen, die ein Taser mit sich bringen kann. Stellen Sie sich vor, Sie werden als Polizistin oder Polizist angegriffen. Sie müssen in Se-kundenschnelle entscheiden, welches Mittel zu Abwehr geeignet, angemessen und verhältnismäßig ist. Mehr Auswahl bedeutet, dass Sie die richtige Waffe möglicherweise nicht sofort finden.
Außerdem führen Kritiker ins Feld, dass die Hemmschwelle für einen Waffeneinsatz sinkt, weil dem Taser häufig eine generelle Harmlosigkeit unter-stellt wird. Hier müssen wir die Argumente sachlich gegeneinander abwägen. Wir dürfen nicht pauschalisieren, sondern müssen differenzieren. Im Ernstfall muss ein Polizist eine Waffe benutzen. Und wir müssen uns immer bewusst sein, dass jede Waffe Risiken birgt. Reizmittel können zu schweren Augenverletzungen führen. Der Einsatz des Teleskop-Schlagstocks kann zu blauen Flecken führen und Knochen brechen. Der Taser hingegen führt zu kurzeitigen Lähmungen. Der Angreifer kann schwer stürzen. Der Sturz ist dabei nicht kontrollierbar.
Auf der anderen Seite ist das pauschale Ablehnen des Tasers schwer vermittelbar. Der Taser ist nämlich ein milderes Mittel als die Schusswaffe. Es ist ein polizeilicher Grundsatz, dass ein Polizeibeamter stets das mildeste Mittel anzuwenden hat. Es gibt viele Befürworter unter den Polizisten, die sagen: Es muss etwas zwischen Schusswaffe und Schlagstock geben. Ich sage aber auch: der Taser ist zwar ein milderes Mittel als eine Schusswaffe, aber eben trotzdem eine Waffe. Und so sollte auch diese mindestens getestet werden, ob sie sich im Polizeialltag bewährt. Positive Effekte sind beispielsweise denkbar, wenn sich der Angreifer noch auf Distanz befindet. Und auch in Situationen, in der der Angreifer eine Stichwaffe trägt, kann ein Tasereinsatz geeignet und angemessen sein.
Ich möchte das verdeutlichen. Nehmen wir die Entfernung von diesem Rednerpult bis zur Kante des Podests. Übertragen wir diese Entfernung auf ei-ne Einsatzsituation in einer dunklen Gasse. Da wird schon deutlicher, warum ein Schlagstock vielleicht nicht das geeignete Mittel sein kann. Jemand mit einem Messer sollte nicht erst dann gestoppt werden, wenn er in Schlagdistanz ist. Hier müssen wir der Polizistin oder dem Polizisten eine geeignete Option anbieten, die geeignet ist, die wirksam im Sinne einer Mann-Stopp-Wirkung ist und deren Auswirkungen geringer sind als bei einer Schusswaffe.
Ich habe nie zur Schusswaffe greifen müssen. Aber es gab Situationen, in denen ich ernsthaft überlegen musste, ob ich sie einsetzen muss. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Selbst diese Entscheidung ‚Ziehst Du oder nicht?‘ ist enorm belastend und löst etwas in einem aus. Ich erinnere mich an die-se Erfahrung als junger Schutzmann. Als die Situation da war, hat man funktioniert. Erst später, vor der Schreibmaschine, fing das große Zittern an. Das trägt man tagelang mit sich rum. Die persönlichen Folgen nach einem Schusswaffengebrauch sind ungleich viel höher und kaum zu vergleichen. Deshalb halte ich es für wichtig, dass wir alles tun, um diese Situationen zu vermeiden.
Es gibt sehr unterschiedliche Einsatzarten, für die die Polizisten angemessen ausgerüstet werden sollen. Daran sieht jeder, wie wichtig eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik ist. So hat ein normaler Streifenpolizist andere Erfordernisse als ein Beamter im SEK. All dies gilt es zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. All diese Erfahrungen und Argumente müssen wir sammeln, auswerten und abwägen. Wir müssen das Rad zum Glück nicht komplett neu erfinden. Wir können auf die Erfahrungen anderer Bundesländer zurückgreifen. Risiken und Vorteile können wir umfassend gegeneinander abwägen. Wir müssen uns damit inhaltlich und differenziert auseinandersetzen. Einfache Antworten sind nicht angebracht. Es ist genauso unseriös und durchschaubar wie der Versuch der AfD auf unsere Idee aufzuspringen. Daher bin ich auch der Auffassung, dass unsere Landespolizei, für die wir die Verantwortung tragen, auch selbst Erfahrungen sammeln muss. Ich möchte nicht nur auf die Erfahrungen anderer zurückgreifen.
Jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte wird ernsthaft auf das jeweilige Einsatzmittel vorbereitet. Das neue Einsatztrainingszentrum bei der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung Eutin, aber auch jede Polizeidirektion wird Ihnen einen Einblick verschaffen können, wie intensiv die Schulung stattfindet. Aber aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, wie hoch der Adrenalinspiegel selbst in dieser Trainingssituation steigt.
Meine Linie in dieser Frage ist schnell zusammenzufassen: Differenzieren statt pauschalisieren! Lassen Sie uns ein Modellprojekt initiieren. Das Thema ist zu vielschichtig für Aktionismus. Zu ernst für verkürzte Botschaften und zu wichtig für politische Effekthascherei.“
Aussender: Eva Grimminger, FDP- Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag
Redaktion: Torben Gösch