Kiel (pte/11.09.2018/13:30) Weil immer mehr Anleger häufiger juristische Erfolge gegen verschuldete Regierungen, insbesondere vor Gerichten in den USA und Großbritannien, erreichen, lassen sich Staatsschuldenkrisen immer schwieriger lösen. Während vor allem spezialisierte Hedgefonds davon profitieren, kommen auf die Bevölkerung hingegen zusätzliche finanzielle Lasten zu. Zu diesem Schluss kommt eine neue empirischen Studie unter Beteiligung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) http://ifw-kiel.de …
158 Verfahren ausgewertet
Die Autoren haben auf Basis von Gerichtsdokumenten 158 Verfahren gegen 34 Staaten, die zwischen 1976 und 2010 in den USA oder Großbritannien durch private Anleger eingereicht wurden, ausgewertet. „Die Daten zeigen, dass sich der Markt für Anlegerklagen seit Anfang der 1990er-Jahre grundlegend verändert hat, als spezialisierte Hedgefonds zunehmend aktiv wurden“, sagt Christoph Trebesch, Leiter des Forschungsbereichs Internationale Finanzmärkte und Global Governance am IfW Kiel und Mitautor der Studie.
Das Prinzip sei einfach wie erfolgversprechend. Denn Investoren würden Staatspapiere zu niedrigen Preisen auf dem Sekundärmarkt erwerben und forderten dann vor Gericht eine vollständige Rückzahlung. Klagen durch Hedgefonds machten inzwischen gut zwei Drittel aller neuen Fälle aus und seien in der Regel größer und langwieriger als die anderer Investoren. „Das Vorgehen der Hedgefonds ist aggressiver, sie versuchen häufiger, Staatsvermögen im Ausland zu pfänden oder Urteile anderweitig zu vollstrecken.“
„Holdouts“ enden im Desaster
Anlegerklagen und sogenannte „Holdouts“, also die Weigerung von Gläubigern, an einer Umschuldung teilzunehmen, haben oft negative Folgen für die Schuldnerstaaten, so die Autoren. Gerichtsverfahren könnten zu einem Finanzembargo führen, da Gläubigern das Recht zugesprochen werde, die Aufnahme von Auslandskapital der Schuldnerregierung faktisch zu unterbinden. Das könne nach neuester Rechtsprechung auch Schuld- und Zinszahlungen für bereits emittierte Staatsanleihen betreffen, die über Banken in den USA abgewickelt werden.
„Die Anlegerklagen führen dann praktisch zu einer Kapitalpfändung und versperren den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten“, so Trebesch. Dies zeigten auch die empirischen Daten. Die beklagten Länder platzieren oft jahrelang keine Staatsanleihen in London oder New York. Hierzu zählten auch große Emittenten, die sich im Normalfall regelmäßig im Ausland Geld leihen, wie zum Beispiel Argentinien, Brasilien oder Peru. „Als Folge sind Schuldenkrisen schwieriger zu lösen, weil Anlegerklagen eine geordnete Umschuldung und einen damit einhergehenden finanziellen Neustart verhindern können“, weiß Trebesch.
Aussender: pressetext, Florian Fügemann
Redaktion: Torben Gösch