Berlin/Brüssel, 09.07.18 – Am morgigen Dienstag diskutieren die Landwirtschaftsminister der Länder, Bundesagrarministerin Julia Klöckner sowie EU-Agrarkommissar Hogan in Brüssel, wie die europäische Landwirtschaft ab 2021 aussehen wird…
Für Steuerzahler, Natur und den ländlichen Raum ist es eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Der NABU fordert, dass sich Deutschland – als größter Nettozahler – für eine deutlich naturverträglichere und effizientere Verteilung der fast 60 Milliarden Euro schweren Agrar-Subventionen einsetzt.
Derzeit zahlt jeder EU-Bürger pro Jahr 114 Euro an Steuergeld für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP). Es ist der mit Abstand größte Topf des EU-Haushalts. Bislang werden die Gelder jedoch überwiegend umweltschädlich und verschwenderisch verteilt. Der größte Anteil fließt pauschal pro Hektar – egal, ob die Flächen umweltfreundlich bewirtschaftet werden oder nicht. Die Folgen sind dramatisch: Insekten sterben in rasantem Tempo, Vögel verschwinden aus der Feldflur, das Grundwasser ist stellenweise stark mit Nitrat belastet.
„Der ökologische Bankrott vor unserer Haustür muss ein Weckruf sein. Wir brauchen eine naturverträglichere Agrarpolitik, im Interesse von Natur, Steuerzahlern und Landwirten gleichermaßen. Es ist nicht hinnehmbar, dass wir für die Verfehlungen der Agrarpolitik dreifach zur Kasse gebeten werden: Mit 114 Euro pro Jahr für die Agrar-Subventionen, dann für die Reparatur von Umweltschäden und schließlich für Strafgelder an den Europäischen Gerichtshof, wenn Deutschland zum Beispiel die Nitrat-Grenzwerte verletzt“, kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Er forderte Bundesagrarministerin Klöckner auf, in Brüssel einen klaren Kurswechsel einzufordern. Vorschläge lägen bereits auf dem Tisch, wie das vorhandene EU-Budget so umgeschichtet werden kann, dass Landwirte ein stabiles oder sogar höheres Einkommen erzielen können und die Natur zugleich besser geschützt wird. Der NABU fordert, dazu mindestens 15 Milliarden Euro jährlich in einen neuen EU-Naturschutzfonds umzuschichten. Aus diesem könnten Landwirte ein attraktives Zusatzeinkommen erzielen, wenn sie konkrete Leistungen für den Erhalt der Natur erbringen.
Die jetzige Reformdebatte ist die womöglich letzte Chance für die dringend notwendige Umkehr in der EU-Agrarpolitik. Aktuell verdichten sich jedoch die Zeichen, dass ein Umsteuern auch dieses Mal ausbleiben könnte. EU-Agrarkommissar Hogan plant sogar in jenem Bereich überproportional zu kürzen, der die wirksamsten Maßnahmen für den Naturschutz finanziert.
Ein weiterhin umweltschädlicher Kurs wäre jedoch ein Drama für die Artenvielfalt und der Sargnagel für die Insektenwelt. Bereits heute ist jede dritte der 560 deutschen Wildbienen-Arten gefährdet oder vom Aussterben bedroht. 39 weitere sind bereits ausgestorben. Dabei sind Insekten für uns Menschen unersetzlich. Weltweit bestäuben sie 90 Prozent aller Pflanzen – darunter auch die meisten Nutzpflanzen.
„Schon bei der letzten Reform wurde versprochen, dass die EU-Agrarpolitik grüner wird. Doch stattdessen wurde mit dem ‚Greening’ ein teures Instrument geschaffen, das für die Natur nahezu wirkungslos ist – und für uns Steuerzahler Geldverschwendung“, sagte Miller. Die Ineffizienz der GAP und insbesondere des Greenings hatte unlängst auch der Europäische Rechnungshof kritisiert.
Um mehr Transparenz in die laufenden Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik zu bringen, hat der NABU am heutigen Montag eine neue Kampagne gestartet. Unter dem Motto „Neue Agrarpolitik jetzt!“ wird Deutschlands größter Umweltverband konkrete Missstände in der Agrarpolitik aufzeigen, Lösungen vorstellen und die Debatte mit der Politik suchen. Mehr zur NABU-Kampagne: www.NeueAgrarpolitik.eu
Das fordert der NABU für die GAP 2021-2027:
Transformation: Die pauschalen Flächenprämien müssen durch eine gezielte Förderung für den nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft ersetzt werden.
Rettung der Artenvielfalt: 15 Milliarden Euro pro Jahr müssen bereitgestellt werden, um Naturschutzmaßnahmen einkommenswirksam zu honorieren.
Faire Preise: Die GAP muss zur Landnutzungs- und Ernährungspolitik werden. Statt ein System der „Masse“ muss sie Bewusstsein, Vermarktung und Zahlungsbereitschaft für „Klasse“ fördern und die Lebensmittelverschwendung eindämmen.
Verfolgen Sie die Verhandlungen im NABU-GAP-Ticker:
https://blogs.nabu.de/naturschaetze-retten/category/nabu-gap-ticker/
Aussender: Kathrin Klinkusch, Iris Barthel, Britta Hennig, Nicole Flöper, Silvia Teich, NABU-Pressestelle
Redaktion: Torben Gösch