KIEL, 30.06.18 – Bildungs- und Kulturministerin Karin Prien hat gestern (29. Juni) den Wissenschaftspreis 2018 der Bürgerstiftung Schleswig-Holstein (BGSH) an Dr. Martin Göllnitz für seine Dissertation „Der Student als Führer?Handlungsmöglichkeiten eines jungakademischen Funktionärskorps am Beispiel der Universität Kiel (1927 – 1945)“ verliehen…
„Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich und auch der Bürgerstiftung zu dieser ausgezeichneten Wahl. Ich hoffe sehr, dass wir in der schleswig-holsteinischen Gedenkstätten- und Erinnerungslandschaft noch viel von Ihnen hören werden“, sagte Ministerin Prien, die auch Stiftungsratsvorsitzende der BGSH ist.
Alle zwei Jahre – in diesem Jahr zum dritten Mal – werden mit dem Wissenschaftspreis der Stiftung herausragende wissenschaftliche Arbeiten gewürdigt, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein und der Erinnerung an diese Zeit und deren darüber hinausgehenden Folgen beschäftigen. Die Veranstaltung mit hochkarätigen Gästen – in diesem Jahr Prof. Jan Philipp Reemtsma (Vorstand der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur), dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, sowie Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau und Honorarprofessorin an der Universität der Künste in Berlin – hat sich seit 2014 zu einer Traditionsveranstaltung entwickelt.
„Als Stiftungsratsvorsitzende, Kultur- und Wissenschaftsministerin wünsche ich mir sehr, dass der wissenschaftliche Nachwuchs diesen mit 2.000 Euro ausgelobten Wissenschaftspreis als Chance und Ermutigung sieht, sich in Examensarbeiten, Dissertationen oder in regionalen Publikationen dem komplexen Thema Nationalsozialismus zu stellen. Die Aufarbeitung ist noch lange nicht abgeschlossen“, sagte Prien. Den diesjährigen Preisträger nannte die Ministerin einen „Hochkaräter“ und gratulierte nicht nur ihm, sondern auch der Bürgerstiftung zur Wahl.
„Wir brauchen weiter eine kritische Aufarbeitung unserer Geschichte, wir müssen die Vergangenheit reflektieren und wir brauchen eine Aufarbeitung der Mechanismen, mit denen Diktatoren und Ideologen arbeiten“, sagte Prien auf der Veranstaltung, die die Bürgerstiftung unter die Überschrift „Wozu Gedenkstätten?“ gestellt hatte. Die Tricks der „Rattenfänger“ funktionierten im neuen Gewand auch heute noch, sagte die Ministerin und nannte zum Beispiel die sukzessive Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie das Produzieren von „Fake-News“, wenn eine Wahrheit nicht in das begrenzte Weltbild passe. „Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Genau deshalb brauchen wir eine Erinnerungskultur, die nicht allein in die Vergangenheit schaut, sondern auch immer die Gegenwart und unsere Demokratie im Blick hat und für diese wirbt.“
„Wozu Gedenkstätten?“ – Ministerin Prien nannte das Motto der Veranstaltung hochaktuell, „denn wir dürfen uns nicht abfinden mit autoritären und antiliberalen Entwicklungen, wir müssen Haltung zeigen“. Gerade in Zeiten antisemitischer An- und Übergriffe und demokratiefeindlicher Pöbeleien und Machenschaften von rechts bis links, von Islamisten und aus der Mitte der Gesellschaft brauche es eine Erinnerungskultur an authentischen Orten und eine starke Verantwortungsgemeinschaft. Der dramatische Zivilisationsbruch durch die Nazi-Diktatur dürfe nicht geleugnet, kleingeredet oder relativiert werden. „Wir müssen immer wieder aufs Neue den Anfängen wehren“, sagte Prien.
Gedenkstätten seien zumeist authentische Orte, „wo es passiert ist – wo Menschen gequält, gefoltert und ermordet worden sind“. Sie widersetzten sich jeder Umdeutung. Nur wer die Vergangenheit kenne, sei gegen neue Verführer und Verführungen gewappnet. Gedenkstätten könnten Brücken zwischen den Jahrhunderten, zwischen den Generationen, zwischen Opfern und Tätern und zwischen Zeitzeugen und Nachkommen bauen, betonte die Ministerin: „Sie sind Asservatenkammern der Vergangenheit und Lernorte für die Gegenwart in einem.“
Politik könne die Rahmenbedingungen für Erinnerung und Auseinandersetzung schaffen, sagte Prien. Sie unterstütze daher nachdrücklich das Ziel, dass möglichst alle Jugendlichen in ihrer Schulzeit das Angebot erhalten, eine Gedenkstätte mit Bezug zu NS-Verbrechen zu besuchen. Dabei halte sie es aber für unbedingt erforderlich, dass diese Besuche in das Unterrichtsgeschehen eingebettet und gut mit Vor- und Nachbereitung betreut werden. „Als Kulturministerin und Stiftungsratsvorsitzende setze ich mich für diese Fahrten ein und es ist mir ein besonderes Anliegen, für sie zu werben – mit dem Erfolg übrigens, dass die Mittel zunächst ausgeschöpft waren, aber das Ministerium und die Bürgerstiftung haben nachgelegt und den Etat um weitere 15.000 Euro erhöht.“ Prien ermutigte Lehrkräfte, weiterhin Mittel für Fahrten zu beantragen und ergänzte, Fördermöglichkeiten gebe es auch für Besuche polnischer Gedenkstätten und Yad Vashem in Israel.
Aussender: Thomas schunck, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (SH)
Redaktion: Torben Gösch