Lahr, 11.05.18 – Die Große Koalition hat bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass den Verbrauchern ein Instrument einer Art Sammelklage an die Hand gegeben werden soll, damit diese ihre Rechte gegenüber Konzernen besser durchsetzen können…
Nunmehr hat die Bundesregierung das Gesetz zur Musterfeststellungsklage beschlossen. Es soll am 01.11.2018 Inkrafttreten und somit rechtzeitig den Geschädigten im Abgasskandal Hilfe leisten. Die Bundesregierung wirbt mit Verbraucherfreundlichkeit. Vorgesehen ist, dass bestimmte Verbraucherverbände bestimmte Fragen in einer Art Sammelprozess von einem Gericht feststellen lassen können, was dann für alle Geschädigten, die sich in eine Liste eingetragen haben, bindend ist. Damit soll den Verbrauchern kostengünstig die Möglichkeit verschafft werden, Schadensersatz gegen Konzerne geltendzumachen.
Was sich auf den ersten Blick sinnvoll anhört, ist tatsächlich eine Mogelpackung. Offensichtlich wurde hier ausreichend Lobbyarbeit von Unternehmen betrieben, sodass die Bundesregierung ein völlig unzureichendes Gesetz auf den Weg gebracht hat. Durch dieses Gesetz werden nicht die Verbraucher vor den Unternehmen geschützt, sondern die Unternehmen vor den Verbrauchern.
Zunächst einmal muss überhaupt ein Verband gefunden werden, der sich mit den Konzernen anlegt. Da die Gerichtsverfahren teuer sind, muss dieser Verband die Kostenrisiken eingehen und das dafür erforderliche Geld aufbringen können. Hier dürften viele Verbände bereits an ihre Grenzen geraten. Hinzu kommt, dass die Verbraucherverbände meist nicht das juristische Know-how vorweisen können, um die komplexen Prozesse zu gewinnen. Macht hier der Verband Fehler, schadet dies allen teilnehmenden Geschädigten, weil das Feststellungsurteil bindend ist. Das Risiko für den einzelnen Geschädigten ist daher viel zu hoch.
Außerdem werden in der Musterfeststellungsklage lediglich einzelne Vorfragen zu einem Schadensersatzprozess behandelt. Das Verfahren führt nämlich nicht dazu, dass ein Verbraucher nach dem Abschluss des Musterverfahrens auch Schadensersatz erhält. Es ist vielmehr 2-stufig ausgestaltet. In einem 1. Prozess werden bestimmte Vorfragen geklärt. Dies ist das Sammelverfahren. Will ein Verbraucher nach Abschluss des Verfahrens dann seinen individuellen Schadensersatzanspruch geltend machen, muss er erneut klagen. In einem 2. Schritt ist also eine Einzelklage notwendig. Insoweit hilft ihm die Musterfeststellungsklage nichts. Diese verzögert das Verfahren ganz erheblich. Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, warum es einem Verbraucher helfen sollte, 2 Prozesse zu führen, wenn eigentlich ein Prozess ausreichend ist? Gerade am Abgasskandal ist dies sehr problematisch. In Kapitalanlagefällen gibt es bereits solche Musterverfahren. Der bekannteste Musterfall ist derjenige der Deutschen Telekom. Dieses Verfahren dauert bereits 13 Jahre. Dort klagt nicht mehr der ursprüngliche Kläger, sondern dessen Erben, weil er zwischenzeitlich gestorben ist. Die Konzerne werden versuchen mit allen Mitteln die Verfahren zu verzögern und über 3 Instanzen prozessieren. In dieser Zeit altern im Abgasskandal die Fahrzeuge und sind dann unbrauchbar, bevor das Musterverfahren überhaupt abgeschlossen ist. Wenn dann jeder einzelne Geschädigte nochmals eine weitere Einzelklage über 3 Instanzen durchführen muss, wird das Fahrzeug längst das zeitliche gesegnet haben. Es sind im Abgasskandal bereits seit dessen Bekanntwerden im Jahre 2015 3 Jahre vergangen.
Im Abgasskandal ist daher die geplante Musterfeststellungsklage völlig ungeeignet, die Ansprüche geltend zu machen. Hier reichen die bisherigen Einzelklagen völlig aus, weil dort die Verfahren innerhalb von 1 bis 3 Jahren abgeschlossen sind und dazu führen, dass die Geschädigten kurzfristig entschädigt werden.
Den Medien ist deutliche Kritik an dem Gesetz zu entnehmen. Die Zeitung DIE WELT schreibt beispielsweise: „Dieselgate: Die Musterfeststellungsklage hilft Verbrauchern nicht“. Die Zeitung kommt zu dem Ergebnis, dass das Gesetz unbrauchbar ist. In einem Interview im Handelsblatt teilt die Juraprofessorin Astrid Stadler der Universität Konstanz mit, dass das Gesetz völlig überflüssig sei. „Die Musterklage ist ein Placebo-Gesetz.“ Die LTO schreibt: „Laut der zuständigen Obfrau von Bündnis 90/Die Grünen im Rechtsausschuss, Manuela Rottmann, verfehle der Gesetzentwurf komplett seinen Zweck. Er schütze die Industrie vor dem Verbraucher, indem er den Prozess zur Durchsetzung von Verbraucherrechten unnötig verkompliziere, sagte Rottmann gegenüber LTO. In gespielter Eile lege die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, der den Verbraucher in der Praxis in ein viel zu kompliziertes Verfahren zwinge. Statt Ansprüche im Zusammenschluss mit anderen Geschädigten durchzusetzen, müssten die Betroffenen nach dem Willen der Bundesregierung nun den Umweg über aufwändig zu identifizierende, klagebefugte Institutionen gehen.“ Deutlicher kann man es nicht mehr machen. CDU, CSU und SPD versuchen die Verbraucher für dumm zu verkaufen. Ihnen wird etwas versprochen, was von der Politik nicht gehalten wird.
Die Rechtsanwälte Ralph Sauer und Dr. Ralf Stoll der Kanzlei Dr. Stoll § Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die auf Massenverfahren spezialisiert ist, haben deshalb eine klare Meinung zu dem neuen Gesetz und den Äußerungen der Bundesregierung: „Im Abgasskandal hat die Bundesregierung bisher alles getan, um die Unternehmen vor den Verbrauchern zu schützen. Die Verbraucher und deren Anwälte haben keinerlei Unterstützung durch die Bundesregierung erhalten. Nicht einmal das Kraftfahrtbundesamt hat bisher Akteneinsicht im Abgasskandal gewährt. Auch die Staatsanwaltschaften erteilen keine Auskünfte. Dieser Schutz der Unternehmen geht nunmehr weiter, indem man ein angeblich verbraucherfreundliches Gesetz auf den Weg bringt. In Wirklichkeit ist das Gesetz eine reine Verbrauchertäuschung und hilft lediglich den Unternehmen. Das Gesetz ist völlig unbrauchbar, Geschädigte des Abgasskandals sollten sich auf dieses Verfahren nicht einlassen. Die Bundesregierung hat damit wieder einmal in jeglicher Hinsicht versagt und sich unglaubwürdig gemacht.“
Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich mit 5 Fachanwälten für Bank- und Kapitalmarktrecht um eine der führenden Kanzleien im VW Abgasskandal und im Bank- und Kapitalmarktrecht. Die Kanzlei führt mehr als 100 Gerichtsverfahren gegen verschiedene Autobanken wegen des Widerrufs von Autokrediten. Im Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträgen wurden mehr als 3.000 Verbraucher beraten und vertreten. Daneben führt die Kanzlei mehr als 5.500 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit. In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung – Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger).
Aussender: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Redaktion: Torben Gösch