Lübeck, 28.03.18 – Aufgrund des in der Presseberichterstattung der Kieler Nachrichten vom 15. und 17. Juli 2017 geäußerten Verdachts, dass das
Firmenfahrzeug des Chefredakteurs Longardt möglicherweise mit einem
vermeintlichen Peilsender überwacht worden sein soll…
hat die Staatsanwaltschaft Lübeck ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt
wegen des Verdachts des unerlaubten Erhebens von Daten gemäß § 43
Abs. 2 Nr. 1 BDSG in Verbindung mit § 44 Abs. 1 BDSG geführt.
Mit der Durchführung der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft
Lübeck wegen des durch die Berichterstattung der Kieler Nachrichten
erweckten Eindrucks, die Überwachung sei durch Verantwortliche aus
den Reihen der Landespolizei veranlasst worden, das Landeskriminalamt
Rheinland-Pfalz in Mainz beauftragt. Die Ermittlungen sind nunmehr
abgeschlossen. Sie haben keine belastbaren Anhaltspunkte dafür
ergeben, dass der Dienstwagen des Chefredakteurs Longardt mit einer
Peil- bzw. Sendevorrichtung zur Feststellung des Fahrzeugstandortes
versehen gewesen wäre.
Entsprechende Gerätschaften konnten schon bei einer Untersuchung
des Fahrzeugs auf Veranlassung der Kieler Nachrichten nicht
festgestellt werden.
Die Kieler Nachrichten hatten im Rahmen der Berichterstattung
Videomaterial veröffentlicht, auf dem zu sehen war, dass bei einer
Messung an dem Dienstwagen Signale einer Funkwelle mit Frequenzen im
Bereich 1003,9 MHz bis 1042,5 MHz angezeigt wurden.
Die von den Kieler Nachrichten als „auf IT-Sicherheit
spezialisierter Dienstleister“ und „Gutachter“ bezeichnete
Messperson, die nach eigenen Angaben gegenüber den Ermittlern des
Landeskriminalamtes Mainz über keinerlei Ausbildung oder
Spezialisierung im Bereich der Frequenzmessung verfügt, hatte nach
dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Rahmen der
Messung keine Maßnahmen außer dem Abschalten von Mobilfunkgeräten
ergriffen, um externe Störfaktoren auszuschließen, die das
Messergebnis beeinflussen konnten. Erforderlich gewesen wäre eine
Messung in einem von störenden Signalen professionell abgeschirmten
Raum. Eine solche hat nicht stattgefunden. Die seitens der Kieler
Nachrichten aufgestellte Behauptung, dass „sämtliche andere Quellen,
die die Messung hätten beeinträchtigen können“, ausgeschlossen worden
seien, ist mithin fachlich unzutreffend.
Die in der Berichterstattung geäußerte Vermutung, die Ursache des
Signals sei ein an dem Fahrzeug angebrachter Peilsender, beruhte
ausschließlich auf Angaben, die verschiedene, der Staatsanwaltschaft
nicht benannte Quellen aus den Reihen der Polizei gegenüber Bastian
Modrow als Redakteur der Kieler Nachrichten getätigt haben sollen. In
verschiedenen Artikeln wurde dargestellt, es hätten mehrere mit
Kriminaltechnik vertraute Polizeibeamte nach Inaugenscheinnahme des
Videos erklärt, dass es sich bei dem gemessenen Frequenzbereich um
einen solchen handele, auf dem Behörden wie die Polizei mit
Peilsendern arbeiteten, um Personen zu orten.
Diese Behauptungen der von den Kieler Nachrichten konsultierten
Polizeiquellen sind nach dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen in der Sache unzutreffend.
Die gemessenen Frequenzen sind vielmehr dem
Flugnavigationsfunkdienst und dem mobilen Flugdienst zugewiesen (960
MHz bis 1164 MHz). Darüber hinaus ist der betroffene Frequenzbereich
für nicht weiter bezeichnete militärische Funkanwendungen vorgesehen.
Der Zentralbereich der an dem Fahrzeug des Chefredakteurs Longardt
gemessenen Frequenzen fällt dabei in den Teilbereich 1025 MHz bis
1035 MHz, der der zivilen und militärischen Navigation
(Sekundärradar) zugewiesen ist und für diesen Zweck von der Deutsche
Flugsicherung GmbH genutzt wird. Die darüber hinaus gemessenen
Signale ober- und unterhalb dieses Bereichs lassen sich zwar nicht
dem Sekundärradar zuordnen, sie bewegen sich aber ebenfalls im
Bereich der Flugnavigation.
Der Polizei sind für ihre Aufgaben gänzlich andere Frequenzen fern
des gemessenen Bereichs zugewiesen.
Die Kieler Nachrichten haben nach eigenen Angaben zur Begutachtung
des Videomaterials einen „zivilen Experten für GPS-Ortungsgeräte im
Kreis Segeberg“ konsultiert, zu dessen Identität sie gegenüber der
Staatsanwaltschaft keine Angaben gemacht haben. Der vermeintliche
Experte soll zu der Bewertung gekommen sein, es handele sich nicht um
ein „frei verfügbares Frequenzband“, mithin müsse es „ein
nicht-öffentliches, behördliches, staatliches bzw. geheimes
Frequenzband“ sein. Dieser Aussage kommt angesichts der
Feststellungen zu dem gemessenen Frequenzbereich (Flugnavigation)
keine weiterreichende Aussagekraft zu, zumal auch nicht zu erkennen
ist, dass der sogenannte Experte eine Überprüfung des
Frequenzbereichs, beispielsweise anhand der Frequenzzuweisungstabelle
und des Frequenzplans, die beide u. a. im Internet frei einsehbar
sind, vorgenommen hat.
Entsprechende Internetrecherchen will ein Redakteur der Kieler
Nachrichten nach zeugenschaftlichen Angaben zwar durchgeführt und
Hinweise darauf erlangt haben, dass es sich bei den gemessenen
Frequenzen um solche aus dem Bereich der Flugnavigation handeln
könnte. Diese Ergebnisse haben in der Berichterstattung der Kieler
Nachrichten allerdings keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr ist
eine öffentliche Äußerung des seinerzeitigen Direktors des
Landeskriminalamtes Kiel, seiner Kenntnis nach handele es sich bei
den gemessenen Frequenzen um solche aus dem Bereich der
Flugnavigation, in der Berichterstattung vom 18.07.2017 in Zweifel
gezogen worden.
Indes ist es nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei
allen Hochfrequenzsignalen – und um solche handelt es sich auch bei
den am Fahrzeug des Chefredakteurs Longardt gemessenen – möglich,
dass diese sich ausbreiten und auch an anderen Orten, wie z. B. dem,
an dem die videodokumentierten Messungen durchgeführt wurden,
festgestellt werden können. So haben beispielsweise bei dem von der
Staatsanwaltschaft beauftragten Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz
eine Physikerin und ein Elektroingenieur im Rahmen der Ermittlungen
an einem beliebigen Ort in Mainz eine Vergleichsmessung vorgenommen,
bei der ebenfalls das Signalspektrum des Sekundärradars gemessen
worden ist.
Im Ergebnis stellt sich die der Berichterstattung der Kieler
Nachrichten zu entnehmende Annahme, dass es „offenbar“ in den
zurückliegenden Wochen eine Überwachung von Journalisten, die in der
sog. „Rockeraffäre“ bei der Landespolizei recherchierten, gegeben
habe, in deren Rahmen an dem Dienstwagen des Chefredakteurs ein
Peilsender angebracht worden sei, als Schlussfolgerung aufgrund
sachlich nicht belastbarer Recherchen dar.
Das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ist mangels hinreichenden
Tatverdachts eingestellt worden.
Aussender: Polizeidirektion Lübeck; Dr. Ulla Hingst, Oberstaatsanwältin
Redaktion: Torben Gösch