Burlington, 28.03.18 – Physischer und emotionaler Missbrauch von Kindern durch ihre Eltern führt zu bleibenden Schäden, wie einer Schwächung der Fähigkeit, anderen Menschen zu vertrauen und ihre Gefühle genau zu lesen. Forscher der University of Vermont http://uvm.edu haben untersucht, welche Auswirkungen einfache, alltägliche Konflikte auf Kinder haben…
Überwachsam und ängstlich
Die im „Journal of Social and Personal Relationships“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die emotionale Verarbeitung auch bei diesen Kindern betroffen sein kann. Sie werden dadurch möglicherweise überwachsam, ängstlich und auch als Erwachsene durch sinnentstellte menschliche Interaktionen verletzbar, die in einem neutralen Ton ablaufen.
„Auch geringe Widrigkeiten, wie ein Konflikt der Eltern, sind für Kinder nicht gut“, so Studienautorin Alice Schermerhorn. Für die Studie wurden 99 Kinder zwischen neun und elf Jahren in zwei Gruppen aufgeteilt. Basis dafür waren psychologische Beurteilungen zum Ausmaß der erlebten elterlichen Konflikte und ihre Einschätzung einer Bedrohung der Ehe. Den Kindern wurde eine Reihe Fotos von Paaren in glücklichen, wütenden oder neutralen Interaktionen gezeigt. Sie wurden in der Folge gefragt, in welche Kategorie die Fotos gehörten.
Kinder aus Familien mit wenigen Konflikten ordneten die Fotos durchgängig richtig zu. Kinder aus Familien mit großen Konflikten, die sie als Bedrohung empfanden, konnten die glücklichen und wütenden Paare zuordnen, aber nicht jene mit neutralen Interaktionen. Sie wurden fälschlicherweise als wütend oder glücklich eingeordnet oder die Kinder wussten nicht, in welche Kategorie sie gehörten.
Konflikte richtig deuten können
Laut Schermerhorn gibt es zwei mögliche Interpretationen dieser Ergebnisse. Die Ungenauigkeit kann auf eine extreme Wachsamkeit zurückgeführt werden. „Macht ihre Wahrnehmung von Konflikt und Bedrohung Kinder aufmerksam für Anzeichen von Problemen, kann das dazu führen, dass sie neutrale Situationen als wütend interpretieren oder als solche, die eine größere Herausforderung bei der Verarbeitung darstellen.“
Alternativ könnten neutrale Interaktionen der Eltern für Kinder, die sich durch die Konflikte ihrer Eltern bedroht fühlen, auch weniger Bedeutung haben. „Sie könnten eher auf wütende Interaktionen eingestellt sein, die für sie ein Hinweis darauf sind, in ihr Zimmer zu gehen oder auf glückliche, die bedeuten, dass ihre Eltern für sie erreichbar sind“, sagt Schermerhorn. Neutrale Interaktionen lieferten laut der Forscherin wenig Information. Daher könnten die Kinder sie nicht schätzen oder lernen, sie zu erkennen.
Schüchternheit macht verletzlicher
Die Studie ist auch eine der ersten, die die Folgen von veranlagungsmäßiger Schüchternheit auf die Fähigkeit von Kindern, Gefühle zu verarbeiten und zu erkennen, untersucht hat. Die schüchternen Kinder wurden über die Antworten ihrer Mütter auf einem Fragebogen identifiziert. Schüchterne Studienteilnehmer konnten Paare in neutralen Situationen nicht richtig identifizieren. Das galt auch dann, wenn sie nicht aus Familien mit großen Konflikten stammten. Schüchternheit machte sie auch für die Konflikte der Eltern verletzlicher. Kinder, die schüchtern waren und sich durch die Konflikte der Eltern bedroht fühlten, verfügten bei der Identifizierung von neutralen Situationen über eine hohe Ungenauigkeit. Laut Schermerhorn sollten die Eltern dieser Kinder besonders vorsichtig dabei sein, wie sie Konflikte austragen.
Laut der Forscherin sind die Ergebnisse von großer Bedeutung, da sie zeigen, welche Auswirkungen auch vergleichsweise geringe Widrigkeiten, wie ein Konflikt der Eltern, auf die Entwicklung eines Kindes haben kann. Beide Interpretationen der Resultate könnten auf spätere Probleme der Kinder hinweisen.
„Auf der einen Seite können eine erhöhte Wachsamkeit und Angst auf viele verschiedene Arten destabilisierend wirken. Auf der anderen Seite kann das richtige Lesen von neutralen Situationen für Kinder in konfliktreichen Familie nicht wichtig sein, ihre Wahrnehmungsdefizite können sich jedoch negativ auf Erfahrungen mit Lehrern, Gleichaltrigen und Partnern in Beziehungen auswirken.“ Niemand könne laut Schermerhorn Konflikte völlig vermeiden. Kinder sollten wissen, wie Eltern auch im Streit zueinander stehen und Probleme lösen können.
Aussender: pressetext, Moritz Bergmann
Redaktion: Torben Gösch