Die Wähler fühlen sich nicht ernst genommen ¬ – Jeder dritte FDP-Wähler möchte wechseln – Kein Vertrauen zur „KoKo“ – Anerkennung für die Grünen

Köln, 18.1217 – Welche Parteien den Wählerwillen erfüllen – und welche nicht. Beim Tauziehen um eine Regierungsbildung behaupten die Parteien, es sei alles so kompli¬ziert, weil der „Wählerwille“ beachtet werden müsse. Die meisten Wähler glauben aber gar nicht daran, dass die Parteien sich tatsächlich nach ihren Wünschen und Vorstellungen rich¬ten. Das ist das Er¬gebnis einer forsa-Umfrage im Auftrag der Mediengruppe RTL…

AfD und FDP trauen die Wähler derzeit am wenigsten

Nur 11 Prozent der Bundesbürger glauben, dass die AfD den Willen ihrer Wähler ernst nimmt. Von der FDP glauben das auch nur 13 Prozent der Deutschen. Zum Vergleich: 31 Pro¬zent der Befragten billigen der CDU zu, dass sie den Wählerwillen respektiert. Über die Grü¬nen denken das 25 Pro-zent, über SPD und CSU jeweils 21 Prozent und 17 Prozent glauben das von den Linken. Während die meisten Parteien immerhin bei der Mehrheit der eigenen Wähler Vertrauen genießen (zwi-schen 55 und 68 Prozent), ist das bei den Wählern von CSU und FDP nur bei einer Minderheit der Fall: Nur 48 Prozent der CSU-Wähler und 44 Prozent der FDP-Wähler fühlen sich von „ihrer“ Partei ernst genommen. Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner gegenüber der Mediengruppe RTL: „Gerade FDP und CSU wird von vielen ihrer Anhä¬nger unterstellt, dass sie den Willen ihrer Wähler eher missachten oder missdeuten als ihn in ihrem Verhalten zu berücksichtigen.“ Das Misstrauen gegenüber der FDP zeigt sich auch in einem weiteren Ergebnis: Nur zwei Drittel der liberalen Wähler (66%) würden ihre Stimme bei einem neuen Wahlgang der FDP geben. Die Bindekraft der übrigen Parteien ist erkennbar größer: 90 Prozent der Grünen-Wähler würden heute wieder so wählen, bei CDU sind es 89 Prozent (SPD: 86%, AfD: 85%, Linke: 84%, CSU: 80%). Von den FDP-Verprellten würden 43 Prozent die Union wählen, 16 Prozent die Grünen, 12 Prozent die SPD, 10 Prozent die AfD, 11 Prozent eine andere Partei und 8 Prozent würden gar nicht mehr wählen gehen.

Pragmatische Lösungen, das Wahlprogramm zählt nicht

Fast zwei Drittel der Bundesbürger (64%) erwarten von den Parteien, sie sollten pragmatisch nach Lösungen suchen statt auf Einhaltung ihrer Wahlprogramme zu beharren. Dieser Auf¬fassung sind vor allem die Wähler der CSU (78%), CDU (77%) und der Grünen (71%). 65 Pro¬zent der FDP-Wähler und 63 Prozent der SPD-Wähler sind ebenfalls dieser Meinung. Nur in der Anhängerschaft der AfD gibt es eine Mehrheit von 57 Prozent, die für ein striktes Fest¬halten ihrer Partei am Wahlpro¬gramm sind. Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner gegenüber der Mediengruppe RTL: „Statt Dogma¬tismus erwarten die Wähler ein an den jeweiligen Proble¬men orientiertes Handeln.“

Was will die SPD wirklich?

Über die Hälfte aller Wähler (54%) ist der Überzeugung, dass die SPD nicht weiß, was sie wirklich will – regieren oder opponieren. Der Auffassung sind vor allem die Anhänger von CDU (74%), CSU (80%), FDP (66%) und AfD (59%). Auch ein Drittel der SPD-Wähler (34%) hat das Gefühl, dass die Sozialdemokraten sich nicht entscheiden können. 60 Prozent der SPD-Wähler glauben allerdings nicht an eine Entscheidungsschwäche ihrer Partei. Als Alternative zum Eintritt in eine Große Koali-tion (GroKo) hatten Sozialdemokraten das Modell einer „Kooperativen Koalition“ (KoKo) vorge-schlagen. 57 Prozent der Bundesbürger allerdings sind überzeugt, dass ein solches auf wechselnde Mehrheiten angewiesenes Mo¬dell „nicht funktionieren“ würde. Das sehen drei Viertel der Unions-Wähler, aber auch die Hälfte der SPD-Anhänger so. Lediglich bei den Anhängern der Grünen (53%) und der Linken (52%) findet dieses Regierungs-Experiment Anklang.

Lob für die Grünen, Kritik an Lindner und Seehofer

An der Regierungsbildung haben sich inzwischen schon viele versucht. Wie beurteilen die Deut-schen das Verhalten der Spitzenpolitiker nach der Bundestagwahl, hat forsa die Bundes¬bürger im Auftrag der Mediengruppe RTL befragt. Das Ergebnis: Die Befragten sind vor allem mit den beiden Grünen Cem Özdemir (55%) und Katrin Göring-Eckardt (40%) zufrieden. An¬gela Merkel kommt mit 36 Prozent Zustimmung auf Platz 3. Dahinter: Martin Schulz (25%), Christian Lindner (22%) und Horst Seehofer (19%). Sogar bei den Anhängern der eigenen Partei stoßen die Chefs von FDP und CSU auf eher geringe Begeisterung – bei Lindner 50 Pro¬zent der FDP-Wähler, bei Seehofer 43 Pro¬zent der CSU-Wähler.

Regierungsbildung dauert zu lange

71 Prozent der Deutschen haben kein Verständnis dafür, „dass die Bildung einer neuen Bun¬desre-gierung so lange dauert“. Lediglich 23 Prozent der Bundesbürger sind der Auffassung, die Parteien sollten sich ruhig Zeit lassen. Die Hauptschuld an der Verzögerung tragen nach Auffassung der Deutschen die FDP (30%), die SPD (28%) und die CDU (24%). forsa hat außer¬dem gefragt: Welche Politiker sind dafür verantwortlich, dass Deutschland noch keine Regie¬rung hat? Die Schuldzuwei-sung ist eindeutig: FDP-Chef Christian Lindner (39%) mit großen Abstand vor SPD-Chef Martin Schulz (27%) und CDU-Chefin Angela Merkel (24%). Das Grü¬nen-Duo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir machen lediglich je 9 Prozent verantwort¬lich für die verzögerte Regierungsbildung.

Der Wählerwille ändert sich kaum

Auch zwölf Wochen nach der Bundestagswahl hat sich an den Wahlabsichten der Deutschen kaum etwas geändert. Vor einer Woche nach dem SPD-Parteitag hatte forsa ermittelt, dass die Sozialde-mokraten nicht hinzugewinnen konnten, so auch im Lauf dieser Woche: Die SPD würde mit 20 Pro-zent nicht mehr Stimmen erhalten als bei der Wahl am 24. September. Die Union erhielte mit 33 Prozent ebenfalls ähnlich viele Stimmen. Die FDP würde weiter deut¬lich schlechter, die Grünen deutlich besser abschneiden.

Die Ergebnisse im Einzelnen: CDU/CSU 33 Prozent (Bundestagswahl 32,9), SPD 20 Prozent (20,5), FDP 8 Prozent (10,7), Grüne 12 Prozent (8,9), Linke 10 Prozent (9,2), AfD 12 Prozent (12,6). 5 Pro-zent würden sich für eine der sonstigen Parteien entscheiden (5,2). Der Anteil der Nichtwähler und Unentschlossenen liegt bei 21 Prozent und damit etwas unter dem An¬teil der Nichtwähler bei der Bundestagswahl (23,8 Prozent).

Die Daten zum Wählerwillen acht Wochen nach der Wahl wurden vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag der Mediengruppe RTL vom 13. bis 15. Dezember 2017 erhoben. Datenbasis: 3091 Wähler, die forsa am 24. September im Rahmen einer großen Wahlstudie befragt hatte. Diese Wahlstudie wurde gemein¬sam mit den Pro-fessoren Markus Klein (Universität Hannover), Dieter Ohr (Freie Universität Berlin) und Ulrich Rosar (Universität Düs-seldorf) durchgeführt. Die Daten für die Parteien-Präferenz wurden vom 11. bis 15. De¬zember 2017 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag der Mediengruppe RTL erhoben. Datenbasis: 2501 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: +/- 2,5 Prozentpunkte. Die Daten zur verzögerten Regie¬rungsbildung wurden am 14. und 15. Dezem-ber 2017 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag der Mediengruppe RTL erhoben. Datenbasis: 1004 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozent¬punkte.

Aussender: Matthias Bolhöfer, Alessia Maier, RTL/n-tv-Trendbarometer
Redaktion: Torben Gösch