Karlsbad, 13.03.17 – Miteinander unbefangen umgehen, ohne andere zu bewerten oder Vorurteile und Schubladendenken zu zeigen: Die innere Haltung ist möglicherweise der wichtigste Aspekt von Inklusion. Für viele Erwachsenen nicht immer einfach, denn lange gab es wenig Berührungspunkte mit Menschen mit einer Behinderung wie beispielsweise Down-Syndrom…
Das hat sich verändert. Es gibt immer mehr inklusive Kindergärten und Schulen. „Kinder mit Down-Syndrom gehen gerne in die Schule, sind ausgesprochen lernwillig. Außerdem ermöglichen wir so nachfolgenden Generationen von Anfang an einen ungezwungenen Umgang mit Kindern, die anders sind.“, stellt Gabriele Weiland, Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) fest.
Auf körperlicher Ebene ist die muskuläre Hypotonie, also eine schwache Muskelspannung, einer der Gründe dafür, dass Kinder mit Down-Syndrom sich langsamer entwickeln. Durch die geringe Muskelspannung werden die Rezeptoren in den Muskeln und Gelenken wenig gereizt, die Körperwahrnehmung ist reduziert. Kinder mit Down-Syndrom fühlen sich „wie in Watte“, spüren sich selbst und ihre Umgebung nicht so gut und haben dadurch eine verminderte Sensorik. „Das Spüren ist jedoch für das spätere Lernen nötig.“, erklärt die Ergotherapeutin Gabriele Weiland. Bereits beim Krabbeln stimulieren Babys ihre Wahrnehmung, haben Kontakt mit dem Boden, fühlen weich, glatt, hart und so weiter. Der Lernprozess ist in Gang, bestimmte Eigenschaften werden wortwörtlich begriffen. Weil nun aber die Kraft in den Muskeln bei Kindern mit Down-Syndrom fehlt, bewegen sie sich weniger gerne und haben in der Folge weniger Möglichkeiten, ihre Umwelt zu begreifen. „Es ist eine meiner Aufgaben, Kinder mit Down-Syndrom in die Aktivität zu bringen. Und zwar so früh wie möglich.“, plädiert die Ergotherapeutin dafür, von Anfang an die bestehenden Defizite zu verbessern.
Ergotherapeuten sorgen für Know-how Transfer…
„Es ist ganz wichtig, dass Kinder mit Down-Syndrom in einem normalen Umfeld sind, also auch in eine Regelschule gehen. Jedes Kind soll die Chance haben, lesen zu lernen und dadurch selbstständiger zu werden.“, betont die Ergotherapeutin Weiland. Die dafür nötigen Fähigkeiten müssen früh angebahnt werden. Zur besseren Veranschaulichung schildert die Ergotherapeutin einen Fall aus ihrer Praxis. Um einem Jungen mit Down-Syndrom zunächst den Besuch eines inklusiven Kindergartens und später der Regelschule zu erleichtern, war das Ziel, eine möglichst große Selbstständigkeit herbeizuführen. So waren es alltägliche Aktivitäten, die sie mit dem Jungen übte. Zum Beispiel, als es um das eigenständige Essen mit dem Löffel und später mit Messer und Gabel ging. Spielerisch muss das Ganze sein, denn sonst verweigern Kinder – solche mit Down-Syndrom ebenso wie alle anderen auch – ihre Mitarbeit. Der Junge mochte Ballspiele und zum Training seiner motorischen und koordinativen Fähigkeiten waren die dafür vorgesehenen Stunden so angelegt, dass er Bälle in ein Behältnis werfen durfte. Die Ergotherapeutin verkleinerte von Mal zu Mal das Behältnis, so dass die Zielsicherheit wuchs, Motorik und Feinmotorik sich besser ausprägten. Gleichzeitig wurden durch die Bewegungen die Muskeln stärker. Parallel setzte sie Übungen zum selbstständigen Essen ein und so gelang dem Jungen der Transfer: Einen Gegenstand – das Essen – in ein Behältnis – den Mund – zu bringen. Ebenso spielerisch lernte der Junge, sich selbst an- und auszuziehen, Reißverschlüsse und Schuhe zu schließen und vieles mehr.
… und führen Kinder mit Down-Syndrom spielerisch ans Lernen heran In Vorbereitung der Schulfähigkeit gibt es eine Reihe von Methoden, die Ergotherapeuten bei Kindern mit Down-Syndrom einsetzen. Neben Übungen, die die fein- und grafomotorischen Fähigkeiten verbessern, wenden Ergotherapeuten bei Kindern mit Down-Syndrom auch Spiele wie Puzzle als Therapiemittel an. Das hat viele positive Aspekte: Die Konzentration wird geschult, was wichtig ist für das Stillsitzen in der Schule. Das Visuelle, also Formen und Bilder erkennen und Teile auf das Gesamtbild übertragen. Die Kognition wird angeregt. Oder das Malen: Die Kinder lernen den Umgang mit dem Stift, lernen Formen malen und können dann anfangen, Buchstaben zu malen. Darüber erfassen sie dann die Laute und die Worte. Die Ergotherapeutin Gabriele Weiland weiß von den Müttern der von ihr betreuten Kinder mit Down-Syndrom: Viele Übungen, die die Kinder in der ergotherapeutischen Einzeltherapie in Ruhe und in ihrem eigenen Tempo ausprobieren und lernen, übertragen sie dann in den Kindergarten beziehungsweise in die Schule. Oder nachhause, wo sie eben die Spiele, die sie bei der Ergotherapeutin für sich entdeckt haben, ebenfalls spielen.
Kinder mit Down-Syndrom profitieren von den Angeboten der Regelschule Kinder mit Down-Syndrom sind überaus motiviert, in die Schule zu gehen. Dieses Phänomen schildert die Ergotherapeutin und erklärt, dass sie sich gerne etwas von den anderen abschauen. So kommt es unter anderem zu sprachlichen Verbesserungen. Oder sie profitieren von Angeboten, die allen Kindern zugutekommen, wie Instrumentenunterricht oder Schwimmen. Denn beim Schwimmen, Trommeln oder anderen Betätigungen sind Kinder mit Down-Syndrom genau so fit wie alle anderen auch. Es verbessert nicht nur ihr eigenes Befinden und die Motivation, weiter Neues zu erlenen. Es stärkt bei allen Beteiligten auch die sozialen Kontakte, das Annehmen und Angenommen werden. Und eben das bedeutet Inklusion.
Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.). Die Suche nach Ergotherapeuten in Wohnortnähe ist auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Ergotherapie und Therapeutensuche möglich https://dve.info/ergotherapie/therapeutensuche.
Aussender: Angelika Reinecke, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des DVE e.V.
Redaktion: Torben Gösch