„Die Energiewende verlangt eine faire Lastenteilung“ – Energiewendeminister Robert Habeck zur Bundesratsinitiative für einheitliche Netzentgelte

BERLIN, 10.02.17 – Damit es bundesweit einheitliche Netzentgelte auf der Ebene der Übertragungsnetzbetreiber gibt, setzt sich Schleswig-Holstein im Bundestrat für eine Gesetzesänderung ein. Hiermit erhalten Sei die Rede von Energiewendeminister Robert Habeck zur heute (10. Februar 2017) eingebrachten Bundesratsinitiative…

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Energiewende ist nicht nur eine technische, sondern ebenso auch eine ökonomische und eine politische Mammutaufgabe: Es geht einmal mehr um Gerechtigkeit, um faire Lastenteilung. Meine Position ist klar. Wenn der Klimaschutz ein gesamtgesellschaftliches Anliegen ist, dann ist zwingend auch die Energiewende eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Wer einmal auf einer Bürgerveranstaltung von Windenergie- oder Netzausbaugegnern war, wird wissen, dass es nicht vermittelbar ist, wenn sich vor Ort die Landschaft infolge der Energiewende verändert, die Profite zunehmend abfließen und regional aufgrund des hohen Netzausbaubedarfs auch noch die Netzentgelte und damit die Stromkosten steigen. Es gibt für mich keinen vernünftigen Grund, warum Stromkunden aus Nord- und Ostdeutschland allein für das Übertragungsnetz bis zu 1,5 Cent mehr für die Kilowattstunde zahlen sollen als anderswo in Deutschland.

Der vorliegende gemeinsame Gesetzentwurf der Länder Thüringen und Schleswig-Holstein ergänzt und vervollständigt deshalb die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Anpassung der Netzentgeltstruktur an die Erfordernisse der Energiewende, die dem Bundesrat aktuell mit der Drucksache 73/17 zur Beratung vorliegt. Die Bundesregierung sieht zwar zutreffend, aber nur noch hinsichtlich der sog. vermiedenen Netzentgelte, einen Regelungsbedarf. Das Problem der gravierend unterschiedlichen Netzentgelte auf Ebene der Übertragungsnetze greift sie, entgegen zunächst gleichlautenden Überlegungen des Bundeswirtschaftsministeriums, nicht auf.

Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung bedarf insofern dringend einer Korrektur. Der Anstieg der Strompreise, insbesondere der Anstieg wesentlicher Preiskomponenten wie die der Netzentgelte, resultiert zunehmend aus einer ungenügenden Verzahnung der netzbetreiberorientierten Netzentgeltbildung mit den Herausforderungen der Energiewende. Besonders problematisch ist hierbei der ebenso starke wie stark unterschiedliche Anstieg der Übertragungsnetzentgelte, der sich ebenso unterschiedlich bzw. regional differenziert über die nachgelagerten Verteilnetze bei den Netzkunden auswirkt.

Zu den Unterschieden in den Netzentgelten der Übertragungsnetzbetreiber tragen im Wesentlichen die Kosten des 380kV-Netzausbaus zum Abtransport des Stroms aus Offshore- und Onshore-Windenergieanlagen von Nord nach Süd und die Kosten der bis zum Abschluss der Ausbaumaßnahmen verstärkt einzusetzenden Einspeisemanagementmaßnahmen sowie die Kosten für Netzengpassentlastung (Redispatch) bei.

Alles in allem Netzausbauvorhaben bzw. Maßnahmen, die vor allem die Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber TenneT und 50Hertz und Umstände betreffen, die der einzelne Netzbetreiber nicht beeinflussen kann.

Der verstärkte Ausbau der Erneuerbaren Energien und der bundesweite Ausbau der Stromnetze führen damit zu regional höheren Netzentgelten bzw. Strompreisen. Dieses Vorgehen, die Kosten desbundesweiten Innovationsprojektes Energiewende vor allem den Regelzonen der Netzbetreiber TenneT und 50Hertz und damit u.a. vornehmlich den Bürgerinnen und Bürgern in Nord- und Ostdeutschland aufzubürden, ist nicht akzeptabel und dringend korrekturbedürftig.

Es ist nicht vermittelbar, dass ein Stromkunde in Lübeck oder Erfurt deutlich mehr Übertragungsnetzentgelte pro Kilowattstunde bezahlen muss, als ein Stromkunde in Tübingen oder Wuppertal, obwohl die Mehrkosten vor allem dadurch verursacht werden, dass der Strom von Nord nach Süd transportiert werden muss. Die stark unterschiedlichen Netzentgelte haben außerdem auch Auswirkungen auf die Wirtschaft. Unternehmen in Nord- und Ostdeutschland mit hohem Stromverbrauch, die hohe Netzentgelte zahlen müssen, erfahren gegenüber ihrer Konkurrenz aus Süd- und Westdeutschland einen klaren Standortnachteil. Dies wird vor allem dann virulent, wenn sich zwei Betriebe in nur wenigen Kilometern Entfernung voneinander befinden, zwischen ihren Standorten aber die Grenze der Regelzonen verläuft.

Die Einführung eines einheitlichen Übertragungsnetzentgelts führt zu einer aus dem einheitlichen Rechtsrahmen für die Energiewende folgenden, einheitlichen Kostenverantwortung und zu einer gebotenen, fairen Angleichung der Netzentgelte in den Regelzonen. Dazu ist eine Verordnungsermächtigung zu schaffen, um künftig eine einheitliche Höhe der Übertragungsnetzentgelte in Deutschland zu ermöglichen. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält die hierzu erforderlichen Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz. § 24 Energiewirtschaftsgesetz wird durch eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage ergänzt. Auf dieser Grundlage wird eine Vereinheitlichung durch eine Änderung der Stromnetzentgeltverordnung in einem separaten Verfahren ermöglicht.

Meine Damen und Herren, Ziel des gemeinsamen Gesetzentwurfs ist es, die Kosten- und Verteilungsgerechtigkeit zu stärken. Ich bitte Sie daher bereits heute, die hier vorliegende Initiative der Länder Thüringen und Schleswig-Holstein zu unterstützen und freue mich auf eine konstruktive Beratung in den Ausschüssen. Vielen Dank.

Aussender: Nicola Kabel, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Redaktion: Torben Gösch