Berlin – Ein Jahr nach dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals bei VW kritisiert der NABU die weiterhin mangelnde Bereitschaft von Automobilindustrie und Bundesregierung, der Abgasbelastung durch Pkw mit wirksamen Maßnahmen entgegenzuwirken. Anstatt anzuerkennen, dass ein Großteil der Fahrzeuge offenkundig nicht die nötige Schadstoffminderung liefert und hierfür adäquate Lösungsstrategien zu entwickeln, erweckt die Branche den Eindruck, dass nicht die tatsächliche Minderung von Emissionen, sondern allenfalls das Einhalten von Grenzwerten unter Laborbedingungen von ihnen gefordert wird…
Dass nun ausgerechnet die Bundesregierung und insbesondere Bundesverkehrsminister Dobrindt diese Praxis nicht nur geduldet, sondern durch weitestgehende Untätigkeit auch noch befördert haben, ist aus NABU-Sicht ein Hohn für sämtliche Bemühungen von Städten und Gemeinden, die Luftschadstoffbelastung vor Ort auf ein unbedenkliches Maß zurückzuführen.
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hält entgegen öffentlicher Ankündigungen weiter seine schützende Hand über die Autoindustrie. Es ist ein fatales Signal an Hersteller und Kunden, wenn nicht einmal der Gesetzgeber selbst ein Interesse daran zeigt, bestehende Mängel zügig zu beseitigen. Dieses unverantwortliche Verhalten geht eindeutig zulasten der Umwelt, vor allem aber der Gesundheit der Bürger.“ Das bisher einzige Ergebnis einer monatelangen Untersuchungskommission ist die „freiwillige Serviceaktion“ der Autoindustrie, bei der die Hersteller Fahrzeuge zur Reduzierung des sogenannten Thermofensters in die Werkstätten zurückrufen.“ Wie diese Serviceaktion aussieht, kann konkret am Beispiel des Porsche Macan beobachtet werden: Unterhalb von plus fünf Grad Celsius reduziert Porsche auch in Zukunft die Wirksamkeit des Stickoxidkatalysators und das mit dem Segen des Verkehrsministers. Es sei zu befürchten, dass auch anderen Herstellern vergleichbare, amtliche Freibriefe ausgestellt würden, die weiter zu hohe Abgaswerte erlauben.
NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger: „Ein Jahr nachdem die Bombe um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen geplatzt ist, hat die Autoindustrie zu wenig aus dem Skandal gelernt. Selbst neue Fahrzeuge der Abgasstufe Euro 6 übersteigen im realen Straßenbetrieb immer noch die erlaubten Grenzwerte für Stickoxidmengen und begründen dies vielfach mit dem Phantasiebegriff Thermofenster. Dabei ist längst deutlich geworden, dass es technisch unhaltbar ist, sich hinter Motorschutzargumenten zu verstecken.“ Dieses Auftreten sei angesichts der Ausmaße des Skandals völlig unbegreiflich, illustriere aber die Arroganz und Narrenfreiheit einer Branche, die sich seit Jahrzehnten des politischen Rückhalts auf höchster Ebene sicher sein könne.
Neben der Nachbesserung der bestehenden Flotte auf echte Euro-6-Werte im Realbetrieb, müsse aus Sicht des NABU daher unter anderem eine Reform des Zulassungsverfahrens in der Zukunft ganz eindeutig die Möglichkeiten von Manipulationen dieser Art unterbinden. Dazu hat der NABU bereits im Dezember vergangenen Jahres zusammen mit anderen Umweltverbänden ein Konzept vorgestellt. Es basiert in erster Linie auf realen Messungen der Abgaswerte auf der Straße und nicht im Labor, einer Erklärung des Herstellers über die Einhaltung der Werte und empfindlichen Sanktionen bei der Missachtung der Grenzwerte.
„Es ist ein Treppenwitz, dass die des Betruges überführten Autohersteller in Europa nicht für ihr Vergehen bestraft werden, sondern allenfalls die Fahrzeuge per Software nachrüsten müssen. Man stelle sich vor, ein Raser wird erwischt, muss aber keine Strafe fürchten, sondern nur gelobigen, sich künftig an die Regeln zu halten. Dies wäre eine Einladung zur Kriminalität, die der Verkehrsminister bei der Autoindustrie weiterhin duldet“, so Oeliger.
Aussender: NABU-Pressestelle, Kathrin Klinkusch
Redaktion: TG