Berlin, 7. April 2016. Das Bildungs- und Teilhabepaket sei fünf Jahre nach seiner Einführung als gescheitert anzusehen, kritisieren der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband. Die Leistungen seien in ihrer Höhe unzureichend und in der bestehenden Form nicht geeignet, Bildung und Teilhabe für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu ermöglichen, so die ernüchternde gemeinsame Bilanz…
Die Verbände werfen der Bundesregierung mangelndes politisches Interesse vor und fordern eine Totalreform im Sinne der Kinder. Die Kinderarmut in Deutschland sei anhaltend hoch, rund 2,7 Millionen Kinder seien derzeit auf staatliche Leistungen angewiesen. „Sie wachsen in Armut auf, mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Lebenschancen. Daran hat auch das Bildungs- und Teilhabepaket nichts geändert“, kritisiert Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. „Im Gegenteil: Das Bildungs- und Teilhabepaket stigmatisiert Kinder, weil es sie immer wieder dazu zwingt, sich in Schule und Freizeit als arm zu outen. Hinzu kommt, dass die einzelnen Leistungen in ihrer Höhe bereits bei der Einführung nicht ausreichend waren und seitdem nie erhöht wurden“, so Hilgers weiter. Das werde insbesondere am Beispiel des Schulbedarfes deutlich: „Eine Schulerstausstattung, die wir auf der Grundlage von Informationsblättern von Schulen zusammengestellt haben, kostet über 200 Euro. Das ist mehr als doppelt so viel als vom Bildungs- und Teilhabepaket vorgesehen“, betont DKSB-Präsident Hilgers.
Die Verbände fordern eine völlige Neuorganisation der Förderleistungen. „Das Bildungs- und Teilhabepaket ist bürokratischer Murks und geht an der Lebensrealität Heranwachsender ebenso vorbei wie an den Strukturen vor Ort“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Mit der Verortung in der Arbeitsgrundsicherung bzw. Sozialhilfe habe der Gesetzgeber einen grundsätzlich falschen Weg eingeschlagen. „Junge Menschen sind keine kleinen Arbeitslosen. Jugendhilfe gehört ins Jugendamt und nicht ins Jobcenter“, so Schneider. Notwendig sei ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Angebote der Jugendarbeit im Kinder- und Jugendhilfegesetz. Für Kinder im Hartz IV-Bezug und in anderen Haushalten mit niedrigen Einkommen sei zudem die Kostenfreiheit der Maßnahmen zu garantieren. Praktiker aus beiden Verbänden weisen darauf hin, dass das Bildungs- und Teilhabepaket bei einem großen Teil der Anspruchsberechtigten nicht ankomme. Mike Menke, Pädagogischer Koordinator am Kinder-Kiez-Zentrum in Berlin, kritisiert insbesondere den massiven bürokratischen Aufwand, der hohe Hürden für die Inanspruchnahme statt Teilhabe für alle schaffe. Karl Sasserath vom Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach unterstreicht, dass die standardisierten Leistungen den vielfältigen Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien nicht gerecht werden und berichtet von Diskriminierungserfahrungen der Betroffenen.
Dass trotz der breiten Kritik aus Fachwelt und Praxis noch immer keine verlässliche amtliche Statistik zur bundesweiten Inanspruchnahme der Leistungen existiere, belege den mangelnden politischen Willen, sich der Realität und dem Scheitern dieses Projekts endlich zu stellen, so Paritätischer und Deutscher Kinderschutzbund.
Aussender: Juliane Grafe, Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Redaktion: TG