Atomaufsicht stimmt zu: Bergung der rostigen Fässer im Kernkraftwerk Brunsbüttel kann beginnen

KIEL/BRUNSBÜTTEL. Die Bergung von teilweise stark verrosteten Atommüllfässern im Kernkraftwerk Brunsbüttel kann beginnen. Ende Februar wird der Betreiber Vattenfall mit extra entwickelter Technik die ersten Fässer aus den Kavernen holen. Dem hat die schleswig-holsteinische Atomaufsichtsbehörde (Energiewendeministerium) jetzt zugestimmt…

„Endlich kann die Räumung der Kavernen starten. Was hier zu leisten ist, ist Pionierarbeit“, sagte Energiewendeminister Robert Habeck heute (22. Februar 2016) in Brunsbüttel, wo er einen Probedurchlauf der Bergung verfolgte. „Viel zu lange sind die Fässer nahezu unbeobachtet in den Kavernen vor sich hin gerostet. Es fehlte an Sicherheitskultur und entsprechenden Kontrollmechanismen. Daraus haben wir aber Konsequenzen gezogen. In den letzten vier Jahren wurden die Kavernen inspiziert und so weit kontrolliert, wie das möglich war. Es wurde ein Verfahren zur Bergung entwickelt und die Atomaufsicht hat die Kontrollmechanismen auf verschiedenen Ebenen gestärkt. Beim Umgang mit Atommüll jedweder Art ist höchste Sensibilität, Aufmerksamkeit und Sorgfalt geboten.“

In sechs unterirdischen, abgeschirmten Kavernen des Kernkraftwerks befinden sich nach bisherigem Kenntnisstand 632 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Stoffen (Filterharze und Verdampferkonzentrate). Ein Großteil dieser Fässer weist – wie Kamerainspektionen ergaben – Korrosionsbefunde auf, mehr als 150 Fässer sind schwer beschädigt.

Jedes Fass wird einzeln geborgen

Das unter Auflagen der Atomaufsichtsbehörde gebilligte Bergungskonzept der Betreibergesellschaft sieht vor, dass nach und nach jedes einzelne Fass ferngesteuert geborgen wird. Jedes Fass wird dann in ein Überfass gestellt. Von den Bergungsarbeiten gehen keine Gefahren für Umwelt und Bevölkerung aus. Die Arbeiten selbst finden zum Schutz der Mitarbeiter unter strengen Strahlenschutzvorschriften statt.

Es ist geplant, die Fässer mit Verdampferkonzentraten und erforderlichenfalls auch die mit Filterharzen in einer Trocknungsanlage nachzutrocknen, damit die vorhandene Restfeuchte reduziert wird. Anschließend sollen die Filterkonzentrate in endlagergerechte Gusscontainer umgesaugt werden.

Die Verdampferkonzentrate werden in den Überfässern in endlagergerechte Stahlblechcontainer eingestellt. Die neukonditionierten Endlagergebinde werden zunächst in die Transportbereitstellungshalle II, später in das noch zu errichtende LasmA (Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle) eingestellt. Sobald das zentrale Endlager Konrad in Salzgitter für eine Aufnahme zur Verfügung steht, werden die Abfälle in den endlagergerechten Containern dorthin transportiert. Mit einer Eröffnung dieses Lagers ist nicht vor 2022 zu rechnen.

Trocknung der Fassinhalte soll Korrosionsschäden vorbeugen

Alle behördlichen Anforderungen sind inzwischen erfüllt. Aktuell hat die Atomaufsicht noch als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme angeordnet, dass die Restfeuchte jedes einzelnen Fasses mit Verdampferkonzentraten bei höchstens 20 Prozent liegen darf – zehn Prozent weniger als ursprünglich von der Betreibergesellschaft vorgesehen. Diese strenge Anforderung soll erneuten Korrosionsschäden vorbeugen.

Die Atomaufsicht geht davon aus, dass besonders die Verdampferkonzentrate vor Jahrzehnten nicht ausreichend getrocknet worden waren, was die erheblichen Rostschäden auslöste. Das damalige Kraftwerkspersonal rechnete mit einem zügigen Abtransport der Fässer in ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe; vermutlich aus diesem Grund wurde die hohe Restfeuchte nicht als Problem gesehen.

„Wir haben soweit wie möglich den jahrzehntelangen Umgang mit schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen in Schleswig-Holstein untersucht. Die Erwartung, dass es bald eine Endlager-Lösung für diese Abfälle geben würde, war offenbar ein Kernproblem: Aus dieser Erwartung heraus wurden langfristige Sicherungsmechanismen vernachlässigt. Das Ergebnis sehen wir jetzt in den Kavernen“, sagte Habeck.

Erst Anfang 2012 war ein stark verrostetes Atommüllfass einer behördlich beauftragten TÜV-Mitarbeiterin aufgefallen. Seither sind umfangreiche Untersuchungen angestellt worden, um das zu erwartende Ausmaß der Schäden abzuschätzen und eine geeignete Bergung und Neukonditionierung der radioaktiven Abfälle zu konzipieren. Dazu gehörte auch die Beschaffung geeigneter Hebe- und Greifwerkzeuge, die zum Großteil von einer Spezialfirma eigens angefertigt werden mussten. Zu den Vorsichtsmaßnahmen bei den Arbeiten zählt zum Beispiel, dass jedes Fass fernbedient geborgen wird, und zwar unter einer speziell angefertigten Einhausung: Aluminiumgerüst, ausgekleidet mit Folie, das den Arbeitsbereich seitlich und nach oben umschließt. Die Verkleidung steht unter Unterdruck, so dass in keinem Fall Radioaktivität austreten kann. So wird der Strahlenschutz gewährleistet.

Minister Habeck: „Strahlenschutz hat bei den Arbeiten Priorität“

„Wir können keine Garantie dafür abgeben, dass das Konzept reibungslos umgesetzt werden kann. Es kann immer wieder Nachsteuerungsbedarf geben. Wir wollen die Kavernen zwar so zügig wie möglich räumen, Strahlenschutz hat aber immer Priorität“, erklärte Energiewendeminister Robert Habeck in Kiel.

„Es werden wohl drei Jahre vergehen, bis die sechs Kavernen vollständig geräumt, gereinigt und wieder verschlossen sein werden“, sagte Dr. Dr. Jan Backmann, Leiter der Atomaufsichtsabteilung, ergänzend. „Wir werden die geplanten Arbeitsabläufe begleiten, überwachen und nötigenfalls optimieren, je nachdem, wie die Bergung verläuft“, so Backmann.

Nähere Informationen zu den Ergebnissen der Fassinspektion und zum Bergungskonzept finden Sie in den Anlagen sowie unter:

http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/R/reaktorsicherheit/faqBergungskonzept.html

http://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/V/Presse/PI/2015/0415/MELUR_150429_Rostschaeden_Atommuellfaesser.html

Aussender: Nicola Kabel, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Redaktion: TG