Berlin, 27. August 2015. Durch das geplante CETA-Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada könnten Regulierungsvorhaben zukünftig ohne parlamentarische Zustimmung beschlossen werden. Der kurz vor der Unterzeichnung stehende Vertragstext sieht vor, dass in einem Expertengremium, dem sogenannten „CETA Joint Committee“, völkerrechtlich bindende Beschlüsse eigenständig getroffen werden können – ohne dass das Europäische Parlament oder die nationalen Parlamente darüber mit entscheiden dürfen.
Das hat das Bundeswirtschaftsministerium der Verbraucherorganisation foodwatch bestätigt. In einem Schreiben vom 25. August 2015 erklärte das Ministerium von Sigmar Gabriel: „Die allgemeine Verfahrensvorschrift in Art. 30 Art. X.03 (S. 449 des CETA-Entwurfs) sieht vor, dass das CETA Joint Committee in den im Vertrag genannten Fällen Entscheidungen treffen kann.“ Zwar werde „diese Vorschrift im Rahmen der aktuell laufenden Rechtsförmlichkeitsprüfung voraussichtlich eine Klarstellung erfahren“ – ob und wie genau, bleibt aber unklar. Sicher ist: Eine direkte Einbindung der Parlamente nach Vertragsschluss ist weiterhin nicht vorgesehen.
„Das Schreiben des Ministeriums bestätigt die im CETA-Abkommen enthaltene reale Gefahr, dass die geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada und den USA die Demokratie aushöhlen. Expertengremien können hinter verschlossenen Türen weitreichende Entscheidungen fällen, die Millionen Bürger betreffen – ohne dass gewählte Abgeordnete mitreden dürfen“, kritisierte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. „Wir sind nicht gegen Freihandel, doch wir wollen nicht, dass unter dem Vorwand des Freihandels unsere Demokratie den Interessen der Konzerne geopfert wird. Dass Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erst auf Anfrage zugeben muss, dass das CETA-Abkommen demokratische Grundsätze in Frage stellt und noch dazu nicht entschieden dagegen Widerstand leistet, ist beschämend. Der Vorgang beweist: Wir Bürger dürfen der Regierung bei CETA, aber auch bei TTIP nicht trauen. Nicht nur die EU-Kommission sondern auch unsere eigene Regierung vertuscht die wahren Risiken der Freihandelsabkommen.“
Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA sieht – ähnlich wie das TTIP-Abkommen mit den USA – eine enge Zusammenarbeit der Unterzeichnerstaaten bei zukünftigen Regulierungsvorhaben vor („regulatorische Kooperation“). Eine parlamentarische Kontrolle ist dabei aber bisher nicht festgelegt. Zwar muss das Europäische Parlament einmalig über den fertig ausgehandelten CETA-Vertrag abstimmen. In Expertenausschüssen wie dem „CETA Joint Committe“ könnten allerdings auch nach Vertragsunterzeichnung weitreichende Ergänzungen und Änderungen an dem Vertragstext vorgenommen werden – ohne Zustimmung der Abgeordneten. foodwatch hatte die mangelnde demokratische Kontrolle bei den Freihandelsabkommen TTIP und CETA bereits im Juli dieses Jahres kritisiert und dazu eine Analyse des Instituts für Völkerrecht und Europarecht der Universität Göttingen veröffentlicht.
Das CETA-Abkommen ist fertig ausgehandelt und steht kurz vor der Ratifizierung durch Kanada und die EU. Es dient in vielen Bereichen als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und USA.
Aussender: Andreas Winkler, foodwatch e.V.
Redaktion: TG / Hallo-Holstein