Seit der Annexion durch Russland sind auf der Krim nicht nur viele alte Probleme geblieben, sondern neue hinzugekommen. So wurde die Rede- und Versammlungsfreiheit in den vergangenen 17 Monaten eingeschränkt und die bereits in der ukrainischen Zeit grassierende Korruption kaum bekämpft. Im Gegenteil: Die aus Moskau kommenden Transferzahlungen dienen bestechlichen Beamten und Funktionären als willkommene Einnahmequelle. Bis 2020 sollen umgerechnet 9,7 Mrd. Euro in die Halbinsel investiert werden.
Förder-Milliarden versickern
In der jüngsten Vergangenheit sind auf der Krim eine Hand voll korrupter Regierungsmitglieder und andere Amtsträger entweder festgenommen oder entlassen worden. So sind beispielsweise zwei Drittel aller russischen Gelder, die 2014 für den Straßenbau vorgesehen waren, in undurchsichtigen Kanälen versickert, zitiert die „New York Times“ aus einem Bericht des Kreml.
Der russische Inlandsgeheimdienst geht hart gegen derartige Machenschaften vor, da der Kreml – so die Meinung mancher politischer Beobachter – den aktuellen Premierminister der Krim, Sergei Aksjonow, nicht zu mächtig werden lassen will. Kritiker erinnern in diesem Zusammenhang an den Aufstieg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow.
Sanktionen zeigen Wirkung
Neben der Korruption stöhnt die Bevölkerung der Krim auch unter der zunehmend willkürlich agierenden Strafjustiz. Pro-ukrainische Künstler und Aktivisten müssen sich immer öfter gegen Terrorismus-Vorwürfe zur Wehr setzen. Eindrucksvoll belegt wird das vom gegenwärtigen Prozess gegen den ukrainischen Filmemacher Oleg Senzow. Ihm drohen 20 Jahre Haft.
Auch die internationalen Sanktionen machen den Menschen auf der Krim das Leben schwer. Zahlreiche Studenten emigrieren, da Universitätsabschlüsse im Westen nicht mehr anerkannt werden. Ausländische Kreditkarten funktionieren nicht, das Mobilfunknetz bricht regelmäßig zusammen und Webdienste wie Gmail sind teilweise blockiert. Vielerorts wird kritisiert, dass man zwar zu Russland gehöre, aber nicht komplett integriert sei, was Schwierigkeiten im alltäglichen Leben erzeuge.
Kauffreudige Oligarchen
Ein Dorn im Auge ist der Bevölkerung auch der zunehmende Einfluss von russischen Unternehmen und finanzkräftigen Oligarchen, die ein Auge auf staatliches Eigentum wie beispielsweise öffentliche Strände werfen. In der Zwischenzeit hat die türkische Regierung den Fährverkehr über das Schwarze Meer eingestellt und Flugverbindungen gestrichen.
In all diesen Unzulänglichkeiten und Repressalien sehen viele Bewohner dennoch das geringere Übel. Im Gegensatz zu ihren „Landsleuten“ im Osten der Ukraine leben sie in Frieden und sind von den brutalen kriegerischen Auseinandersetzungen verschont geblieben. In der Öffentlichkeit gerät der Konflikt um die Krim immer stärker in Vergessenheit. Nichtsdestotrotz erkennen die ukrainische Regierung und weite Teile der internationalen Staatengemeinschaft das durchgeführte Referendum sowie die Annexion nicht an.
Aussender: pressetext, Sebastian Köberl
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Redaktion: TG / Hallo-Holstein