KIEL. Die Landesregierung richtet die Windenergieplanung in Schleswig-Holstein neu aus. Sie zieht damit die Konsequenzen aus dem Urteil des OVG Schleswig, das Ende Januar die Teilfortschreibung der Regionalpläne und damit die Ausweisung von Windeignungsgebieten von 2012 für unwirksam erklärt hatte.
„Nach dem Urteil hatten wir als Land keine Möglichkeit mehr, die Aufstellung von Windenergieanlagen zu steuern. Im Mai haben wir mit dem Landtag dafür gesorgt, dass es trotz des Urteils nicht zu einem Wildwuchs von Windkraftanlagen kommt. Seitdem ist die Errichtung neuer Windkraftanlagen bis Mitte 2017 grundsätzlich unzulässig. Jetzt sorgen wir mit einem neuen Erlass dafür, dass es in den nächsten zwei Jahren kontrolliert weiter geht mit dem Windenergieausbau, indem wir Ausnahmekriterien festlegen und Ausnahmen vom generellen Stopp zulassen. Damit ist die Energiewende in Schleswig-Holstein gesichert, ohne dass eine unkontrollierte Verspargelung droht“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig heute (23. Juni) nach dem entsprechenden Beschluss des Landeskabinetts. Auch bleibe es Ziel der Landesregierung, den Bau von Windkraftanlagen soweit rechtlich irgend möglich mit Bürgerscheiden vor Ort in Einklang zu bringen.
Der Planungserlass bildet die Grundlage für die neuen Regionalpläne, die festlegen sollen, wo der Bau von Windrädern in Zukunft möglich ist. Die Landesplanung wird den Landesentwicklungsplan 2010 überarbeiten und die drei Regionalpläne für die Planungsräume I-III in Bezug auf das Thema Wind vollkommen neu aufstellen. In den Regionalplänen sollen zukünftig sogenannte „Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung“ festgelegt werden. Welche Gebiete für Windkraft in Betracht kommen, wird anhand eines Katalogs von Tabu- und Abwägungskriterien entschieden, die im Erlass aufgeführt werden. Anhand der Tabukriterien werden zunächst Flächen ausgeschlossen, bei denen Windenergie aus rechtlichen oder fachlichen Gründen unmöglich ist oder planerisch nicht sinnvoll. Aus den verbliebenen Flächen werden durch die Abwägungskriterien dann diejenigen herausgefiltert, die als Vorrangflächen in Frage kommen.
Der Kriterienkatalog ist auch von zentraler Bedeutung für Ausnahmeverfahren in den Jahren 2015 bis 2017. Dieses Verfahren wird in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren integriert. Sofern eine beantragte Windenergieanlage nicht von einem Tabukriterium erfasst wird, können Ausnahmen von der vorläufigen Unzulässigkeit erteilt werden. Voraussetzung ist, dass dem auch keine Abwägungskriterien, wie zum Beispiel Denkmal- oder Artenschutz, entgegenstehen.
Nach erster Einschätzung der zuständigen Landesplanung sind von den im Mai vorliegenden etwa 400 Anträgen bereits 40 abgearbeitet. Bei weiteren 240 bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, sie kommen in die weitere Abwägung. Rund 120 liegen dagegen innerhalb von Tabuzonen und wären schon nach der bisherigen Regelung nicht genehmigungsfähig gewesen, weil sie außerhalb der Windeignungsflächen liegen, den Mindestabstand zur Wohnbebauung nicht einhalten oder der Natur- und Artenschutz es verbietet.
Der Leiter der Landesplanung, Ernst Hansen, verweist darauf, dass die heute beschlossenen Planungsansätze bei zwei „Windgipfeln“ mit Windenergieverbänden, Energieunternehmen, Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und den kommunalen Landesverbänden intensiv diskutiert worden seien. „Das jetzt gefundene Verfahren ist ein ausgewogener Kompromiss zwischen allen widerstreitenden Belangen und eine gute Basis für die Flächenfindung der künftigen Windplanung. Die Landesregierung ist dem Wunsch der Kommunen und der Verbände nach starker Steuerung auf Landesebene nachgekommen.“
Die raumordnerischen Ziele und Kriterien im Planungserlass seien dabei vorläufig und würden gegebenenfalls auf dem Weg zu den neuen Regionalplänen noch angepasst. „Bis zur Veröffentlichung der ersten Regionalplanentwürfe ist viel Raum zur Diskussion, die wir in größeren Veranstaltungen und einer Vielzahl von Gesprächen mit der kommunalen Ebene, den Fachverbänden und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern suchen werden“, sagt Hansen.
Hintergrund:
Die schnelle Neuordnung der Windenergieplanung war notwendig geworden, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig im Januar 2015 entschieden hatte, dass die Windenergie-Eignungsgebiete der Regionalplanung für zwei der fünf Planungsräume im Land unwirksam sind. Mit diesen Plänen hatte das Land geregelt, wo Windräder aufgestellt werden dürfen und wo nicht. Das OVG hatte bemängelt, dass bei der Ausweisung von Windeignungsflächen Abwägungsfehler vorliegen. Die erforderlichen Kriterien, die zum Ausschluss von Windenergie auf konkreten Flächen führen, wurden ihm zufolge nicht hinreichend hergeleitet, begründet und dokumentiert. Außerdem hätte die Landesplanung nicht nur feststellen dürfen, wo keine Windenergie zugelassen wird. Sie hätte auch sicherstellen müssen, dass auf den für Windenergie ausgewiesenen Flächen vorrangig Windräder betrieben werden dürfen. Und schließlich hat das Gericht bemängelt, das Gemeinderatsbeschlüsse oder Bürgerentscheide gegen Windkraftanlagen als Begründung gereicht haben, um Windkraft auf Flächen auszuschließen.
Ministerpräsident Albig hatte unmittelbar nach dem Urteil die Kommunen, die Windbranche, Umweltverbände und andere Beteiligte an einen Tisch geholt, um möglichst schnell eine für alle tragbare Alternative zu finden.
Den Text des Erlasses und den Kriterienkatalog finden Sie im Landesportal unter www.schleswig-holstein.de/windenergie
Aussender: Staatskanzlei Schleswig-Holstein, Carsten Maltzan, Lars Erik Bethge
Redaktion: TG / Hallo-Holstein