Knapp ein Jahr nach dem Einstieg des chinesischen Investors Chen Yongqiang am Flughafen Lübeck gibt es offenbar massive Probleme bei der Umsetzung der Unternehmenspläne. Nach Recherchen des Politikmagazins „Panorama 3“ im NDR Fernsehen und der „Zeit Hamburg“ betrifft das sowohl seine Pläne für Medizintourismus als auch für eine geplante Flugschule.
Darüber hinaus befinden sich die Passagierzahlen am Flughafen Lübeck seit der Abwanderung der Fluggesellschaft „Ryanair“ auf einem Tiefpunkt.
Vor knapp einem Jahr hatte Chen mit seiner Firma PuRen den insolventen Flughafen übernommen. Anders als erhofft ist es bislang, knapp ein Jahr nach dem Einstieg Chens, nicht gelungen, neue Fluglinien für den Airport zu gewinnen. In einem Handyvideo, das eine Ansprache Chens vor Mitarbeitern in China zeigt, verkündet der Investor Gespräche mit Fluggesellschaften über Linienflüge nach Lübeck. Dabei nennt er die Airline „Turkish Airlines“. „Panorama 3“ und „Zeit Hamburg“ haben nachgefragt. Die Firma „PuRen“ ist bei „Turkish Airlines“ unbekannt. Verbindungen von Lübeck aus solle es nicht geben.
Bei der Übergabe wollte der Investor das Geschäft mit teilweise ungewöhnlichen Konzepten ankurbeln, beispielsweise mit Medizintourismus: Zahlungskräftige Chinesen sollten zur Behandlung nach Deutschland gebracht werden. „Panorama 3“ und „Zeit Hamburg“ haben diesbezüglich beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein mit Sitz in Lübeck und Kiel nachgefragt. Es gebe derzeit weder Gespräche noch konkrete Pläne mit Chen, heißt es dort.
Auch die Pläne für eine Flugschule kommen offenbar nicht voran. Vorgesehen ist, dass chinesische Flugschüler zum Unterricht nach Deutschland kommen. Nach Recherchen von „Panorama 3“ und „Zeit Hamburg“ soll der Kurs zwischen fünf bis 20 Monate lang dauern und bis zu 110.000 Euro kosten. Experten zweifeln jedoch, ob ein solcher Plan in Lübeck umsetzbar ist. So sagt Dr. Michael Erb, Geschäftsführer des deutschen Verbandes für allgemeine Luftfahrt (AOPA), der die Interessen von Flugschulen, Fluglehrern und Piloten vertritt, dass aufgrund des Wetters in der Region Flugschüler häufig gar nicht starten dürften. „Da sind andere Standorte wie der Südwesten der USA, wo man an 360 Tagen im Jahr fliegen kann, mit Vorteilen ausgestattet.“
Auch die hohe Zahl von Flugschülern – bis zu 5000 sollen es künftig pro Jahr sein – erscheint ihm unrealistisch: die Flugplatz- wie auch Lehrkapazitäten reichen nicht aus. Erb: „2000 Privatpiloten werden im Schnitt in der ganzen Bundesrepublik Deutschland ausgebildet. Wir freuen uns grundsätzlich über jeden Investor, aber ich sehe nicht, wie es realistisch funktionieren soll.“
Weder dem Luftfahrtbundesamt noch dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein liegen Anträge für Ausbildungslizenzen vor. Unabhängig davon gibt es offenbar auch Probleme mit dem Aufenthaltsrecht von Chinesen in Deutschland. Das Auswärtige Amt teilte auf Anfrage mit, dass Chinesen für eine Flugausbildung für eine private Pilotenlizenz kein Visum erhalten können, das länger als drei Monate gültig ist.
Anfang Juni verkündete Chen eine Erfolgsmeldung: Man habe eine Firma für Flugzeugwartung gegründet. Tatsächlich liegt für eine Wartungsfirma eine Genehmigung des Luftfahrtbundesamtes vor. Allerdings gilt diese Genehmigung nur für vier kleine Maschinentypen, allesamt Zwei- und Dreisitzer. Offenbar sind für diese Sparte gerade einmal drei Mitarbeiter eingestellt. Der Wirtschaftssenator Lübecks, Sven Schindler (SPD), bestätigt gegenüber „Panorama 3″: “ Ob tatsächlich Wartungsarbeiten oder die Herstellung von Flugzeugteilen realistisch sind, davon hat man uns nichts mitgeteilt.“ Schindler weiter: „Dieses eine Jahr ist sicherlich nicht so gelaufen, wie man sich das vorstellt. Aber wir haben darauf keinen Einfluss. Das ist die Unternehmensphilosophie eines Unternehmers, der hier am Standort eine Vision hat, die wir nur schemenhaft kennen.“
Auf Nachfrage von „Panorama 3“ und „Zeit Hamburg“ reagierten zunächst weder der Investor Chen noch die Flughafengesellschaft. Ein Interview wurde abgelehnt. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es schließlich: Im Übrigen gehöre es nicht zur Geschäftspolitik, über interne Angelegenheiten in der Öffentlichkeit zu berichten. „Über ungelegte Eier (wie man wohl in Deutschland sagt) sprechen wir jetzt und in Zukunft nicht“, so Chen.
Aussender: NDR Norddeutscher Rundfunk, Ralf Pleßmann
Redaktion: TG / Hallo-Holstein