KIEL: Schleswig-Holsteins Umwelt- und Fischereiminister Habeck hat heute (24. April 2015) eine erste Zwischenbilanz zu der freiwilligen Vereinbarung zur Verbesserung des Schutzes von Schweinswalen und Meeresenten gezogen. „Wir haben nach einer schwierigen und gelegentlich heftigen Diskussion einen konstruktiven Weg eingeschlagen.
Endlich bewegt sich etwas in die richtige Richtung. Als erste schleswig-holsteinische Landesregierung – und wenn ich es richtig sehe: als erstes Ostseeanrainerland – gehen wir die Problematik überhaupt an.“, sagte Habeck.
Der Einsatz von Stellnetzen führt in der Küstenfischerei zu ungewollten Beifängen von Schweinswalen und tauchenden Seevögeln, weil sie sich in den Maschen verfangen und dann ertrinken. Hier bestand dringender Handlungsbedarf, um den Schutz der EU-rechtlich geschützten Tiere zu verbessern. Das Fischerei-und Umweltministerium schloss deshalb Ende 2013 eine freiwillige Vereinbarung mit den Fischereiverbänden der Küstenfischerei.
Die Vereinbarung sieht vor, dass zum Schutz der Schweinswale die Fischerei in den Sommermonaten vom 1. Juli bis zum 31. August deutlich weniger Stellnetze einsetzt als rechtlich zulässig wären. Diese Zeit ist sensibel, weil sich dann besonders viele Schweinswale in den schleswig-holsteinischen Küstengewässern aufhalten und zudem Kalbungszeit ist. Zum Schutz der Meeresenten wurde zudem verabredet, dass in der Zeit vom 16. November bis zum 1. März bestimmte Gebiete, in denen Enten bevorzugt nach Nahrung tauchen, von der Stellnetzfischerei komplett freigehalten werden. Dies gilt, wenn viele Enten aus den östlichen und nördlichen Gebieten der Ostsee in unseren Küstengewässern überwintern
Die Koordinierung und Kontrolle übernimmt das Ostsee Info-Center in Eckernförde, es wird dabei von einer begleitenden Arbeitsgruppe unterstützt. Einmal jährlich bewerten die Vertragspartner den Erfolg der vereinbarten Maßnahmen.
Habeck: „Die Vereinbarung wird auf breiter Basis akzeptiert.“
„Nach Ablauf einer kompletten Schweinswal- und Entenschutzsaison sehen wir, dass die Vereinbarung in der Fischerei angekommen ist und auf breiter Basis akzeptiert wird“, sagte Habeck. So haben sich bislang rund 160 Fischer durch Unterschrift verpflichtet, die verabredeten Maßnahmen einzuhalten. Das sind etwa 50 Prozent der aktiven Betriebe entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste.
Die flächendeckende Kontrolle der Netzlängen durch das OIC im Sommer 2014 ergab Verstöße bei zwei Betrieben. Bei den wöchentlichen Überprüfungen der Entenschongebiete im Winter 2014/15 wurden in drei Fällen Stellnetze dokumentiert. Bei Kontrollfahrten der Wasserschutzpolizei wurden keine Verstöße festgestellt.
Habeck betonte: „ich weiß um die Skepsis mancher. Als Umwelt- und Fischereiministerium müssen wir jedoch ausbalancierte Wege finden, die die Anforderungen des Naturschutzes ebenso einbeziehen wie die Interessen der Fischerei. Und letztlich funktioniert der Schutz nur, wenn die Fischer mitziehen.“
Allerdings sieht Habeck bei der Vereinbarung auch Nachbesserungsbedarf. „Es geht darum, möglichst alle Fischer einzubeziehen und einige Gebietszuschnitte anzupassen. Darüber werden sich die Vertragsparteien in den kommenden Monaten unterhalten, und ich bin zuversichtlich, dass wir zu guten Lösungen kommen.“
Claus Müller, Leiter des Ostsee Info-Centers, zog ein positives Fazit: „Vor allem in unserer praktischen Arbeit erfahren wir von den Fischern und ebenso von den Naturschützern vor Ort viel Zuspruch und Unterstützung. Das ist sehr ermutigend. Für das OIC ist die Projektkoordination eine große Herausforderung, der wir uns auch weiterhin gerne stellen.“ Die Vereinbarung hat eine Laufzeit bis Ende 2017, danach soll eine Evaluierung über die Fortführung entscheiden.
Weitere Punkte der Vereinbarung: Abgabesystem für beigefangene Schweinswale
Im Zuge der Freiwilligen Vereinbarung wurde unter anderem eine öffentlich zugängliche Internetseite zur freiwilligen Vereinbarung eingerichtet, auf der man Informationen zum Vertrag erhält und überdies aktuell nachverfolgen kann, wann welche Gebiete aufgrund erhöhten Entenvorkommens gesperrt sind.
Es wurde zudem durch das OIC ein Erfassungssystem für versehentlich beigefangene Schweinswale eingerichtet, das seit Januar 2015 zur Verfügung steht. Es ermöglicht den Fischern die anonyme Abgabe an Vertrauensleute in den Fischereihäfen, die dann den schnellen Weitertransport für weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen veranlassen. „Kein Fischer will Schweinswale in seinem Netz haben. Wir bitten sie aber dringend, die Tiere, die trotz allem ungewollt in den Netzen landen, abzugeben. Wir müssen die Erkenntnisse über die Tiere, über mögliche Krankheiten und Schädigungen erweitern“, sagte Habeck.
Außerdem wurde aus dem Zukunftsprogramm Fischerei mit Mitteln des Landes und des Europäischen Fischereifonds die Imagebroschüre „Ostseeschätze“ erstellt, um die einmalige Identität des harten Fischerberufes darzustellen und die an der Vereinbarung teilnehmenden Fischer in ihrer lokalen Vermarktung zu unterstützen.
Die vereinbarten Forschungsvorhaben zu beifangärmeren/alternativen Fanggeräten oder zu einem Beifangmonitoring mussten zurückgestellt werden, da zunächst die Genehmigung des Operationellen Programms zum neuen Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) durch die EU-Kommission abgewartet werden muss. Allerdings nehmen schleswig-holsteinische Betriebe bereits seit längerem an verschiedenen von anderen Institutionen geförderten Projekten zu alternativen Fanggeräten, wie automatisierten Langleinensystemen, Jigging-Maschinen oder auch neuartigen Pingern teil.
Ausführliche Informationen zur Freiwilligen Vereinbarung sind auf der Internetseite http://fischerleben-sh.de unter der Rubrik ‚Fischinfo‘ zu finden.
Erläuterung zu alternativen Fanggeräten
Eine Langleine besteht aus einer Hauptleine, an der kürzere Leinen (Mundschnüre) mit beköderten Haken befestigt sind. Beide Seiten der Hauptleine werden verankert und mit Bojen kenntlich gemacht. Bei automatisierten Systemen erledigen Maschinen an Bord die Beköderung und Einholung der Leine.
Jigging-Reels oder mechanisierte Angeln sind mit Schnur gefüllte Trommeln an denen am Ende ein Bleigewicht und darüber zahlreiche künstliche Köder befestigt sind. Beim Jiggen werden Maschinen benutzt, die durch exzenterförmige Windenscheiben ruckartige hüpfende Bewegungen der Köder bewirken.
Pinger werden in regelmäßigen Abständen in Stellnetzen befestigt und senden Geräusche aus, die Schweinswale von den Netzen fernhalten sollen. Zur Zeit werden neuartige Pinger getestet, die keine künstlichen Geräusche aussenden sondern die „Sprache“ der Schweinswale imitieren und so die Tiere auf die Netze aufmerksam machen sollen, so dass sie sich nicht in ihnen verheddern und ertrinken.
Aussender: Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (SH)
Kontakt: Nicola Kabel
Redaktion: TG / Hallo-Holstein