Bremen – Beim FC Bayern ist soeben nicht nur der Mannschaftsarzt zurückgetreten. Es ist mit ihm auch ein Teil des Selbstverständnisses gewichen, das den Verein seit Jahrzehnten prägt. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hat mit seiner Aura, seinen heilenden Händen, seinem auch mit 72 Jahren noch jugendlichen Aussehen erheblich dazu beigetragen, dass die Münchner Fußballer sind, wer sie sind: Rekordmeister. Branchenführer. Immer selbstbewusst, manchmal arrogant.
Mia san mia – das haben sie auch deswegen stets sagen und leben können, weil da dieser besondere Mann im Hintergrund war. Er, der war, wie er war. Wenn beim FC Bayern einer vom Doc sprach, dann war jedem klar, wer gemeint ist. Da konnte es nur einen geben. Dass es Müller-Wohlfahrt beim FC Bayern jetzt nicht mehr gibt, ist das Ergebnis seines tiefen Zerwürfnisses mit Trainer Pep Guardiola. Und dieses Ergebnis kann noch gefährlich werden, gerade für diesen speziellen Verein. Bisher haben die Bayern immer sehr darauf geachtet, dass ihre Trainer nicht größer werden als der Verein. Den Niederländer Louis van Gaal mit seinem Riesen-Ego und den Trainer-Novizen Jürgen Klinsmann mit seinen radikalen Reformvorstellungen haben sie, als es ihnen zu bunt wurde, entlassen – den einen später, den anderen früher. Jetzt ist alles anders.
Guardiola ist, als es zu bunt wurde, geblieben, und sein Widersacher ist gegangen. Der Druck auf den Trainer wächst dadurch, er muss in dieser Saison jetzt erst recht drei Titel gewinnen, um zu beweisen, dass sein Arbeitsstil der richtige ist. Aber selbst, wenn ihm das gelingt, wird Guardiola nicht ewig in München bleiben. Wenn er aber irgendwann geht, dann wird er einen Klub nach seinem Bild geformt haben: den Spielerkader, das Team hinter dem Team – und jetzt sogar die medizinische Abteilung. Auch für die großen Bayern wird es nicht leicht werden, sich dann neu zu sortieren.
Aussender: Weser-Kurier
Text: Andreas Lesch
Foto: DFB