Verband der Automobilindustrie zieht Falschinformationen zu TTIP zurück – Internetseite überarbeitet, Rede von Präsident Matthias Wissmann gelöscht

Berlin, 25. März 2015. Nach einem Offenen Brief der Verbraucherorganisation foodwatch hat auch der Verband der Automobilhersteller (VDA) Falschinformationen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zurückgezogen. Er korrigierte Angaben unter anderem auf seiner Internetseite jazuttip.de und löschte ein Redemanuskript von Verbandspräsident Matthias Wissmann, in dem dieser ebenfalls die möglichen wirtschaftlichen Vorteile von TTIP viel zu groß dargestellt hatte.

„Um Missverständnisse künftig gänzlich auszuschließen“, werde die Studie künftig im englischen Wortlaut zitiert, schrieb der VDA in einem Brief an foodwatch. Zudem sei die Rheinische Post informiert worden – dem Blatt hatte Herr Wissmann in einem Interview ebenfalls falsche Angaben gemacht.

 

Der VDA hatte damit geworben, dass Europa durch TTIP mit einem großen jährlichen Anstieg der Wirtschaftskraft rechnen könne. Tatsächlich geht die Studie, auf die sich der VDA bezog, nicht von einem jährlichen Zuwachs aus, sondern von einem einmaligen, erst nach zehn Jahren eingetretenen Niveaueffekt. Insgesamt hatte die Automobillobby den Wachstumseffekt von TTIP damit zehn Mal größer gemacht als in der Studie angegeben. foodwatch hatte VDA-Präsident Matthias Wissmann am 17. März in einem Offenen Brief zur Richtigstellung aufgefordert. Vor dem VDA hatten bereits der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) Falschinformationen zu TTIP nach einem entsprechenden Hinweis von foodwatch korrigieren müssen.

„VDA, BDI, INSM: Es ist beispiellos, wie die TTIP-Befürworter die möglichen Chancen des Abkommens aufblasen und die Risiken leugnen“, kritisierte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode. „Diese Desinformationskampagne, mit dem Ziel, den Bürgern das Freihandelsabkommen unterzujubeln, zeigt, worum es wirklich geht: TTIP nutzt nur den Konzernen, aber gefährdet Demokratie und Rechtsstaat.“

Auf die Frage „Was würde TTIP der EU bringen?“ hatte der VDA auf seiner Internetseite bis gestern geschrieben: „Es wird ein jährlicher Anstieg der europäischen Wirtschaftskraft um 119 Mrd. Euro (…) erwartet.“ Eine Aussage, die manipulativ und zudem faktisch falsch war: Die Quelle – eine Studie der Londoner Forschergruppe CEPR im Auftrag der Europäischen Kommission – geht jedoch überhaupt nicht von einem „jährlichen Anstieg“ aus. Die Studie spricht vielmehr davon, dass zehn Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens das Bruttoinlandprodukt der EU um 119 Milliarden Euro höher liegen könnte als ohne TTIP – es handelt sich also um eine einmalige Niveauanhebung. Zudem hatte der VDA verschwiegen, dass dieser Wachstumseffekt der Studie zufolge nach zehn Jahren gerade einmal 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmacht – und auch nur dann eintritt, wenn sich EU und USA auf ein sehr weitreichendes Abkommen verständigen. Für andere denkbare TTIP-Szenarien wären die Effekte demnach noch geringer. Seit gestern enthält die VDA-Internetseite ein englischsprachiges Originalzitat aus der CEPR-Studie. (Quellen: Internetseite aktuell: www.jazuttip.de – Screenshot der Seite bis zum 24.3.2015: bit.ly/1OyIqwk – CEPR-Studie: bit.ly/1cuYFUG)

Auch VDA-Präsident Matthias Wissmann selbst hat bei mehreren öffentlichen Auftritten falsch Angaben über die möglichen Effekte gemacht – so in einer Rede, deren Manuskript bis gestern noch auf der Internetseite des VDA nachzulesen war und das mittlerweile gelöscht wurde. (Quellen: aktuelle Seite mit Fehlermeldung: www.vda.de/de/presse/Pressemeldungen/3227.html – Screenshot der Seite bis zum 24.3.2015: bit.ly/1bsh7od).

Anders als VDA, BDI und INSM kam der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) der Aufforderung nach einer Korrektur bislang nicht nach. Der DIHK operiert weiter mit falschen Zahlen, schreibt auf seiner Internetseite etwa: „Die vom Bundeswirtschaftsministerium beim ifo-Institut in Auftrag gegebene Studie zu den Auswirkungen des TTIP geht davon aus, dass TTIP in Europa bis zu 400.000 neue Arbeitsplätze schaffen kann – mindestens 100.000 davon in Deutschland.“ (Quelle: bit.ly/1wDEvsm) Richtig ist jedoch: In der zitierten ifo-Studie (bit.ly/1E57Lpc) wird von „bis zu etwa 110.000 neue[n] Arbeitsplätze[n]“ gesprochen. Die „Mindest“-Angabe der Studienautoren liegt mit nur 2.100 neuen Stellen durch TTIP in Deutschland (und rund 12.000 in Europa) deutlich darunter. Der DIHK macht also aus dem (abgerundeten) Höchstwert einen „Mindest“-Wert – worauf der Verband auch in einer Stellungnahme (http://bit.ly/1Cp6Ymp) nicht einging. foodwatach forderte den DIHK erneut auf, seine Angaben zu korrigieren.

Fragen & Antworten zu TTIP: www.ttip-faq.foodwatch.de

Aussender: Foodwatch
Kontakt: Martin Rücker
Redaktion: TG / Hallo-Holstein