BERLIN, 04.11.2014 – Anlässlich des Besuchs des kolumbianischen Staatspräsidenten Juan Manuel Santos Calderón in Deutschland hat Amnesty International Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, sich für die Rechte der Opfer des jahrzehntelangen gewaltsamen bewaffneten Konflikts und einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung einzusetzen. „In Kolumbien sind auch heute noch Vertreibungen, Morde und sexuelle Gewalt an der Tagesordnung. Trotz der Friedensverhandlungen sind die Zivilbevölkerung und besonders diejenigen, die für ihre und die Rechte anderer eintreten, nach wie vor zahllosen Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverstößen ausgesetzt“, sagt Matthias Schreiber, Kolumbien-Experte bei Amnesty International in Deutschland.
Verantwortlich sind alle Konfliktparteien – paramilitärische Verbände, Guerilla-Gruppen und auch Polizei und Militär.
Calderón wirbt auf einer Europa-Reise, die ihn auch nach Berlin führt, für Unterstützung der Friedensverhandlungen seiner Regierung mit der Guerilla-Gruppe FARC. Am 20. Oktober diesen Jahres gab die kolumbianische Regierung bekannt, dass Deutschland den Friedensprozess mit einem über 10 Jahre laufenden Kredit der KfW Bankengruppe über 100 Millionen US-Dollar mitfinanzieren wird.
„Zum Frieden ist ein Abkommen zwischen Regierung und den Guerilla-Gruppen ohne Zweifel ein wichtiger Schritt“, sagt Schreiber. „Damit ein Friedensabkommen aber langfristig wirksam bleibt, muss der Schutz der Zivilbevölkerung vor neuen Menschenrechtsverletzungen und Völkerrechtsverstößen garantiert sein“, fordert er. „Außerdem müssen die Rechte der Opfer vollständig geachtet werden und die Täter konsequent verfolgt werden“, sagt Schreiber. Allein 2013 wurden 78 Menschenrechtsaktivisten aufgrund ihres Engagements getötet.
Der sogenannte „Rechtsrahmen für den Frieden“ (Marco Jurídico para la Paz) von 2012 gibt dem Friedensprozess eine rechtliche Grundlage der Übergangsjustiz. Das Gesetz gestattet dem kolumbianischen Kongress unter anderem, künftig Gefängnisstrafen für Mitglieder aller bewaffneten Gruppen im Land drastisch zu reduzieren und in bestimmten Fällen auch komplett auszusetzen. Daneben soll ein Gesetzentwurf zur Reform des Polizei- und Militärjustizsystems künftig erlauben, von staatlichen Sicherheitskräften begangene Menschenrechtsverbrechen noch leichter als bisher möglich von Polizei- und Militärgerichten behandeln zu lassen. Dies behindert die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen erheblich.
„Frau Merkel sollte von Herrn Santos ein klares Bekenntnis seiner Regierung einfordern, dass sie die Menschenrechtsverletzungen keiner Konfliktpartei toleriert und diese konsequent verfolgen, aufklären und sanktionieren lässt“, fordert Schreiber.
Aussender: AMNESTY INTERNATIONAL Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Redaktion: Torben Gösch