Hamburg – Die führenden geologischen Dienste Europas beklagen, dass ihr Sachverstand in der Debatte über Fracking von Politik und Medien mehr oder weniger ignoriert werde. In der dem ARD-Magazin „Panorama“ (Sendung: Donnerstag, 21.45 Uhr, Das Erste) vorliegenden „Kopenhagener Erklärung“ warnen sie, dass dies „letztendlich zu nachteiligen Entscheidungen für die Gesellschaft führen kann“. Emotionale Medienberichte hätten in der Vergangenheit dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild von der Fracking-Technologie vorherrsche. Die geologischen Dienste sind in der Regel staatlich und beraten die jeweiligen Regierungen in geowissenschaftlichen und rohstoffwirtschaftlichen Fragen.
Einer der Unterzeichner, der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), kritisiert, dass seine Behörde nicht ausreichend in den Gesetzgebungsprozess zum Fracking-Gesetz eingebunden werde. „Wir wünschen uns, dass mehr von unserem Wissen im gesamten Gesetzgebungsverfahren aufgenommen wird“, betonte Prof. Hans-Joachim Kümpel im Interview mit „Panorama“. Die BGR ist die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung und gehört zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums. Kümpel kritisiert, dass oft „Halbwahrheiten und Übertreibungen“ beim Thema Fracking vorherrschen würden und so auch die Politik zu wissenschaftlich nicht begründbaren Ergebnissen komme. „Häufig werden Gefahren heraufbeschworen, die gar keine sind. Beim Fracking zur Förderung von Erdgas gibt es weit verbreitete Ängste in der Bevölkerung, die aus geowissenschaftlicher Sicht größtenteils unbegründet sind“, so Kümpel.
Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf „Panorama“-Anfrage mit, die Kompetenz und fachliche Expertise der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe würde sehr wohl in den Gesetzgebungsprozess einbezogen. So seien zum Beispiel die Fachbeamten des Bundeswirtschaftsministeriums bei ihrer täglichen Arbeit auf die fachliche Expertise der Geowissenschaftler der BGR angewiesen.
Kümpel spricht sich offensiv für eine ernsthafte wissenschaftliche Erprobung des Schiefergas-Fracking aus, um frühzeitig zu erfahren, ob das Gas auch wirtschaftlich förderbar ist. Ein Verbot bis 2021, so wie es die Eckpunkte des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vorsehen, sieht Kümpel kritisch. „Wir haben jährlich einen enormen Rückgang der heimischen Erdgasförderung. Irgendwann wird die Schwelle erreicht sein, wo es sich dann nicht mehr rentiert, die ganze Infrastruktur aufrecht zu erhalten, so dass ich auch die Überlegungen von Industrieseite verstehen kann, die darauf drängt, viel früher zu einem Ergebnis beim Schiefergas-Fracking zu kommen.“
Die Kopenhagener Erklärung der europäischen geologischen Dienste der so genannten Nordatlantikgruppe (NAG) wird am Donnerstag, 25. September, veröffentlicht. Neben Deutschland haben u. a. die geologischen Dienste aus Großbritannien, den Niederlanden, Nordirland, Irland, Norwegen und Dänemark den Aufruf unterzeichnet.
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