Hamburg – In der boomenden Fernbusbranche wird offenbar regelmäßig gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. So beanstandet die Polizei in Hannover bei ihren Kontrollen häufig bei mehr als der Hälfte der Busse teils gravierende Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten. Busfahrer bestätigten dem NDR darüber hinaus, dass in mehreren niedersächsischen Busunternehmen Aufzeichnungen des digitalen Fahrtenschreibers manipuliert würden. „Es wird erwartet, dass man gegen die Lenk- und Ruhezeiten verstößt“, sagte ein Busfahrer dem Regionalmagazin „Hallo Niedersachsen“ im NDR Fernsehen. Verkehrsexperten warnen davor, dass die Nichteinhaltung dieser Regeln die Sicherheit der Fahrgäste gefährde.
Busfahrer berichteten dem NDR, sie seien von Vorgesetzten dazu aufgefordert worden, die Fahrerkarte vorzeitig aus dem digitalen Fahrtenschreiber zu nehmen. Damit solle verhindert werden, dass die Überschreitung von Lenkzeiten und Unterschreitung von Ruhezeiten auf der Karte dokumentiert werden. Beschwerden über die Gesetzesverstöße seien von den Vorgesetzten ignoriert oder mit Kündigungsdrohungen und Mobbing beantwortet worden.
Zudem kämpfen offenbar einige Busfahrer aufgrund extremer Arbeitszeiten mit gefährlichen Ermüdungserscheinungen. „Es gab Momente, da hat man alles doppelt gesehen. Man war nicht sicher, ob man über grün gefahren ist oder über rot“, schilderte ein betroffener Busfahrer gegenüber „Hallo Niedersachsen“. Der Oldenburger Arbeitspsychologe Professor Friedhelm Nachreiner warnt in diesem Zusammenhang vor Unfallrisiken wie Sekundenschlaf. Dass Busfahrer ihre Arbeitszeiten überschreiten, sei deshalb „gesellschaftlich überhaupt nicht verantwortbar“.
Bei einer Kontrolle in Hannover stellte die Polizei kürzlich bei zehn Fernbussen 78 Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten fest. Dieses Ergebnis sei „katastrophal“, sagte der ver.di-Verkehrsexperte Hermann Hane: „Die Kontrollen müssen verstärkt werden.“ Hane verwies auf den Verteilungskampf in der Branche. Die großen Fernbusanbieter kämpften mit Billigpreisen um Marktanteile und gäben diesen Druck an ihre Subunternehmer weiter: „Die versuchen mit möglichst wenig Personal zu fahren.“
Der Marktführer MeinFernbus betonte auf Anfrage des NDR, dass er jeden Buspartner vertraglich zur Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen verpflichte. Zudem seien bei eigenen Stichprobenkontrollen von Fahrtdaten nur sehr wenige Verstöße festgestellt worden, die geahndet würden. Fälle von Manipulationen an Fahrerkarten seien dem Unternehmen nicht bekannt. MeinFernbus könne zudem über die „Organisation von Ablösefahrern eingreifen, bevor es zu Überschreitung von Lenkzeiten kommt.“
Vor knapp zwei Jahren hatten sich Regierungs- und Oppositionsfraktionen des Bundestags auf eine Liberalisierung des deutschen Fernbusverkehrs geeinigt. Seit Anfang 2013 hat sich das Fernbusangebot rapide vergrößert. Mittlerweile werden laut IGES-Institut mehr als 230 Linienverbindungen angeboten. Nach Branchenangaben sollen in Deutschland im vergangenen Jahr rund 8,3 Millionen Menschen mit Fernbussen unterwegs gewesen sein.
Aussender / Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk – „NDR Hallo Niedersachsen“.
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Redaktion: Torben Gösch