Kommunale Sozialausgaben höher als erwartet – Kassenkredite von 50 Milliarden Euro – Einhaltung des Fiskalpakts nicht gesichert

Die Auswertung der Finanzdaten der Städte, Landkreise und Gemeinden zeigt deutlich, dass sich die Hoffnungen der Kommunen auf langsamer steigende Sozialausgaben und eine weitere Verbesserung des Finanzierungssaldos zwischen Einnahmen und Ausgaben leider nicht erfüllen.

Die sozialen Leistungen erhöhen sich in diesem und dem kom­menden Jahr selbst bei vorsichtiger Schätzung voraussichtlich um rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. Bis zum Jahr 2017 wird ein Anstieg auf mehr als 54 Milliarden Euro erwartet – nach 47 Milliarden Euro im Jahr 2013. Das erklärten die Präsidenten des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, Nürnberg, des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager, Ostholstein, und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Oberbürgermeister Christian Schramm, Bautzen, heute anlässlich der Vorlage neuer Prognosedaten zur kommunalen Finanzlage.

 

„Die kommunalen Spitzenverbände prognostizieren für die Jahre 2014 bis 2017 einen Überschuss für die Gesamtheit der kommunalen Kernhaushalte in der Größenordnung von ein bis zwei Milliarden Euro. Bisherige Erwartungen mussten dabei jedoch deutlich nach unten korrigiert werden. Eine Vielzahl von Kommunen bleibt weit davon entfernt, aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Vor allem bei den Ausgaben für Sozialleistungen der Kommunen ist die Steigerung höher als noch vor einem Jahr erwartet und mit einem prognostizierten Anstieg um mindestens 1,8 Milliarden Euro pro Jahr eine enorme Belastung“, erklärten die Präsidenten. Viele fiskalische Risiken, wie z. B. eine Abschwächung der konjunkturellen Entwicklung oder die Auswirkungen einer Anhe­bung des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer, sind in der Prognose noch gar nicht berücksichtigt.

Der Beirat des Stabilitätsrates, der als unabhängiges, aufgrund von EU-Vorgaben geschaffenes Sachverständigengremium Empfehlungen zur Haushaltsstabilität gibt, riet unlängst, für Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen einen „nennens­werten“ Überschuss anzustreben. Wie Maly, Sager und Schramm betonen, teilen die Kommunen diese Auffassung uneingeschränkt: „Die Kommunen müssen allerdings feststellen, dass sie bislang nicht in die Lage versetzt wurden, die an sie vom Fiskalpakt gestellten Erwartungen mit Sicherheit erfüllen zu können. Ein prognostizierter Überschuss von durchschnittlich gerade 20 Euro je Einwohner ist angesichts der Prognoseunsicherheiten nicht weit genug von einem Defizit ent­fernt. Schon ein geringfügiger Anstieg der Schuldzinsen der Kommunen, eine gebremste wirtschaftliche Entwicklung oder zusätzliche Anstiege bei den Sozial­ausgaben könnten ein Defizit der Kommunen verursachen.“

Auch wiesen Maly, Sager und Schramm darauf hin, dass die in der Prognose wieder­gegebenen Werte alle Kommunen zusammenfassen und daher die großen Unterschiede innerhalb der kommunalen Landschaft nicht darstellen können. „Deutliche Unter­schiede zeigen sich aber auch in den Handlungsmöglichkeiten von finanzstarken und finanzschwachen Kommunen – unabhängig von der Frage, ob es sich um kreisfreie Städte, Landkreise, kreisangehörige Städte oder Gemeinden handelt. Finanziell stabile Kommunen können zusätzliche Einnahmen dazu verwenden, ihre Infrastruktur fit für die Zukunft zu machen. Finanziell überlastete Kommu­nen müssen ihre ohnehin niedrigen Investitionsausgaben nochmals einschränken, um die Defizite zu reduzieren. Trotz der Sonderprogramme mit Entschuldungs­hilfen in einigen Ländern ist ein bundesweiter Rückgang der Kassenkredite nicht zu verzeichnen: Die Kassenkredite bleiben skandalös hoch und kratzen weiterhin an der Grenze von 50 Milliarden Euro.“

Die Daten der Kassenstatistik, an die die Prognose anknüpft, zeigen deutlich, wie der kommunale Investitionsbedarf in der Vergangenheit unterschätzt wurde, so Maly, Sager und Schramm: „Bund und Länder müssen sich stärker zu ihrer Verantwortung bekennen, die sie für die Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur tragen – und zwar auch im kommunalen Bereich.“ Selbst in den traditionell als sehr sparsam geltenden süddeutschen Kommunen ist der Bedarf hoch und sind die Investitionen im vergangenen Jahr um mehr als 16 Prozent gestiegen. Das belegt, welcher Investitions­stau sich sogar dort über Jahre angesammelt hat. Eine Rechnung zur Verdeutlichung: Wollte man bundesweit allen Kommunen im Norden wie im Süden ein entsprechendes Investitionsvolumen ermöglichen, so müsste man dafür zusätzliche jährliche Mittel in Höhe von 7 Milliarden Euro aufbringen.

Erwartungen bzw. Hoffnungen, dass sich der Anstieg der sozialen Leistungen der Kommunen begrenzen lassen würde, wurden im vergangenen Jahr bitter enttäuscht. Die Kosten für die Hilfen zur Erziehung, die Jugendhilfe, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung und die Hilfe zur Pflege steigen weit stärker als andere Ausgabenarten – und erst recht stärker als die kommunalen Einnahmen. Ausgaben­rückgänge bei den Kosten der Unterkunft bleiben trotz einer entspannten Lage am Arbeitsmarkt aus. „Das Problem des überdurchschnittlichen Anstiegs der Sozial­ausgaben ist weit von einer Lösung entfernt. Die vom Bund angekündigte Entlastung von jährlich 5 Milliarden Euro im Zusammenhang mit den Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiger Schritt. Unabdingbar ist dabei, dass Wege gefunden werden, dass tatsächlich die Kommu­nen entlastet werden und durch die Reform der Eingliederungshilfe nicht neue Ausgabendynamiken entstehen“, so die Präsidenten.

Die kommunalen Spitzenverbände veröffentlichten die aktuelle Prognose zur Finanz­lage der Städte, Landkreise und Gemeinden (ohne Stadtstaaten) in den Jahren 2014 bis 2017. Dabei benannten sie vor allem folgende zentrale Fakten:

· Die kommunalen Spitzenverbände gehen im Jahr 2014 von kommunalen Einnahmen von 203,8 Milliarden Euro aus – dass sind plus 3,3 Prozent. Sie rechnen mit Ausgaben von 202,4 Milliarden Euro, was einem Anstieg um 3,4 Prozent entspricht. Für 2014 wird eine Steigerung der kommunalen Steuereinnahmen um 3,7 Prozent erwartet, im Jahr 2015 von 5,0 Prozent. Das Aufkommen erreicht somit im Jahr 2014 nahezu 80 Milliarden Euro. Der Anteil der Steuereinnahmen an den Gesamtein­nahmen beträgt etwa 40,0 Prozent.

· Der Finanzierungssaldo der kommunalen Kernhaushalte für die Jahre 2014 bis 2017 liegt nach der Prognose in der Größenordnung von 1,1 bis 1,9 Milliarden Euro. Der Finanzierungssaldo nimmt dabei von Jahr zu Jahr ab, lediglich die zugesagte Soforthilfe des Bundes in Höhe von 1 Milliarde Euro bundesweit wird im Jahr 2015 für eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr sorgen.

· Bei den sozialen Leistungen der Kommunen sind Erwartungen bzw. Hoffnungen auf eine Dämpfung des Kostenanstiegs nicht eingetreten. Die sozialen Leistungen erhöhen sich in diesem und den kommenden Jahr gegenüber dem jeweiligen Vorjahr selbst bei vorsichtiger Schätzung um 3,6 bis 3,8 Prozent – das sind rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. Bis zum Jahr 2017 wird ein Anstieg auf mehr als 54 Milliarden Euro erwartet.

· Bei den Investitionen ist – bei sehr unterschiedlichem Ausgangsniveau in den einzelnen Ländern und Kommunen und einer Entwicklung, die diese Unterschiede noch vertieft – in den kommenden Jahren mit einem durchschnittlichen Wachstum von 2,0 Prozent zu rechnen. 2014 wird ein Anstieg auf 21,6 Milliarden Euro erwartet und 2015 eine Summe von 22,1 Milliarden Euro. Die Steigerungsraten der sozialen Leistungen sind doppelt so hoch, in absoluten Zuwachsbeträgen nehmen die sozialen Leistungen sogar viermal so stark zu.

· Die Kassenkredite der Kommunen belaufen sich weiterhin auf knapp 50 Milliarden Euro. Auch die verschiedenen Sonderprogramme mit Entschuldungshilfen in einzelnen Ländern haben noch keine Trendwende beim bundesweiten Kassenkreditvolumen bewirken können.

Aussender: Kreis Ostholstein – Der Landrat
Redaktion: Torben Gösch