Syrien: Islamisten setzen deutsche Raketen ein - Bildrechte: NDR/Jan van Aken

Syrien: Islamisten setzen deutsche Raketen ein

Panzerabwehrraketen vom Typ „MILAN“ aus deutsch-französischer Produktion werden nach Recherchen des NDR und der Berliner Zeitung im syrischen Bürgerkrieg eingesetzt, auch von Rebellen der Al-Kaida-nahen Al-Nusrah-Front. Das belegen Videoaufnahmen aus dem Bürgerkriegsland und der Augenzeugenbericht des deutschen Bundestagsabgeordneten Jan van Aken (Die Linke), der in der vergangenen Woche in die nordsyrischen Kurdengebiete reiste Kurdische Rebellen erklärten van Aken und mitgereisten Journalisten, sie hätten in einem Gefecht mit Al-Nusrah Waffen erbeutet. „Dann haben sie mir plötzlich eine deutsche ‚MILAN‘-Rakete gezeigt“. Die vom Bundestagsabgeordneten van Aken gesichtete „MILAN“-Rakete könnte aus einer Lieferung an das Assad-Regime im Jahre 1978 stammen. Die Ausfuhr von 4400 Raketen hatte damals bereits eine Kontroverse im Bundestag und Proteste der israelischen Regierung hervorgerufen.Syrien: Islamisten setzen deutsche Raketen ein - Bildrechte: NDR/Jan van Aken

Die „MILAN“ ist eine Panzerabwehrrakete, die sowohl gegen feindliche Panzer als auch im Häuserkampf eingesetzt wird. Sie wird seit den 1970er-Jahren von einem deutsch-französischen Konsortium hergestellt und wurde bis heute in mehr als 40 Länder exportiert. Auch die Bundeswehr nutzt diese so genannte Kleinwaffe. Auch wenn in der Regel Frankreich als Exporteur des Gemeinschaftsproduktes auftritt, kann Deutschland den Verkauf durch ein Vetorecht verhindern.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Dr. Joachim Pfeiffer, nimmt den Einsatz von „MILAN“-Raketen im syrischen Bürgerkrieg zur Kenntnis, aber bewertet sie als „bedauerliche Einzelfälle“. Weiterhin meint er: „Das kann nicht bedeuten, dass wir von Waffenexporten in Zukunft absehen.“

Weitere Recherchen von NDR und Berliner Zeitung belegen zusätzlich die Rolle der „MILAN“-Rakete im syrischen Krieg. Ein Video, das eine islamistische Rebellengruppe ins Internet gestellt hat, zeigt, wie Milizionäre ein Waffenlager der Regierung plündern. Unter den erbeuteten Waffen befinden sich „MILAN“-Raketen. Auf weiterem Bildmaterial aus dem Krieg in Syrien ist zu sehen, wie „MILAN“-Raketen in Gefechten eingesetzt werden. Darunter sind auch Raketen neueren Baujahrs, wie die vorliegenden Registrierungsnummern belegen. Zusätzliche Fotos dokumentieren eine Schiffsladung, die aus Libyen stammte und für die syrischen Rebellen bestimmt war. Einige Container enthalten „MILAN“-Raketen mit der deutschsprachigen Aufschrift „Bodenziel“ und dem Kürzel „LFK“, das für „Lenkflugkörper“ steht. Welchen genauen Weg die exportierten Raketen nahmen, ließ sich auch auf Nachfrage bei der Bundesregierung bislang nicht klären.

Jan van Aken kritisiert die sehr liberale Exportpraxis der „MILAN“-Rakete, die zu den Bestsellern der deutsch-französischen Rüstungsindustrie gehört, auch wenn die Lieferung schon einige Jahre zurück liege. Die Bundesregierung müsse sich nun der Frage stellen, was mit heutigen Waffenexporten in 30 Jahren passiere. „Denn keiner kann heute abschätzen, in welche Hände die Waffe in einigen Jahren fällt.“

„Panorama“ berichtet über das Thema in der Sendung am Donnerstag, 23. Januar, um 22.15 Uhr im Ersten.

NDR / Das Erste