Hamburg – Drei Tage vor der Zeugenaussage seines Mandanten im NSU-Prozess erhebt der Anwalt der Hamburger Opferfamilie schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft. Andreas Thiel wirft den Beamten vor, entscheidende Hinweise nicht verfolgt zu haben. Unter anderem hatte der Vater des Getöteten ausgesagt, am Tatort zwei deutsche Männer gesehen zu haben, deren Beschreibung aus heutiger Sicht auf Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos zutrifft. Das bestätigen Ermittlungsakten, die dem NDR vorliegen. „Diese Spur ist nie verfolgt worden“, sagt Andreas Thiel. Außerdem hätten Kollegen aus Nürnberg die Hamburger Polizei bereits am Tattag darauf hingewiesen, dass dort zwei Morde mit derselben Waffe verübt worden waren – ebenfalls an türkischen Kleinunternehmern. „Da hätte man das rechte Lager ins Auge fassen müssen!“
Zwölf Jahre nach der Tat und zwei Jahre nach dem Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle habe die Familie jedes Vertrauen in den deutschen Staat verloren: „Die Hamburger Polizei hat sich nach dem Auffliegen der Zelle nie mehr bei der Familie gemeldet – das hat die Angehörigen sehr enttäuscht“, so der Anwalt. Dabei habe die Polizei zuvor immer wieder Familienangehörige verhört und diese damit zunehmend belastet. Sein Mandant habe das Gefühl gehabt, dass man ihm nicht glauben würde: „Das hat ihn sehr irritiert“.
Das Oberlandesgericht München will sich am kommenden Montag, 23. September, zum ersten Mal mit dem Hamburger Fall befassen. Als Zeugen sind neben dem Vater des Getöteten auch zwei Polizeibeamte und zwei Passanten geladen. Nach Angaben seines Anwalts wird die Aussage vor Gericht „ein schwieriger, aber notwendiger Gang“. Weil Ali Tasköprü gesundheitlich angeschlagen ist, wird er von zwei Notärzten begleitet.
Der Gemüsehändler Süleyman Tasköprü wurde am 27. Juni 2001 in Hamburg-Bahrenfeld ermordet. Er war das dritte Opfer des NSU.
Das NDR Fernsehen berichtet über die Vorwürfe am Freitag, 21. September, in der Nachrichtensendung „NDR aktuell“ ab 14 Uhr und im „Hamburg Journal“ um 19.30 Uhr. Auch NDR Info beschäftigt sich am 21. September mit dem Thema.
NDR Norddeutscher Rundfunk