Hamburg – Die Steuerfahndung Braunschweig hat in einem Fall massiver Steuerhinterziehung offensichtlich mangelhaft ermittelt. Nach Recherchen des Radiosenders NDR Info haben die Fahnder in dem Göttinger Fall nicht alles unternommen, um den Sachverhalt zu klären. So versuchten sie weder den Verbleib hinterzogener Gelder in Millionenhöhe zu klären, noch sind die Beamten offenbar Hinweisen auf eine mögliche Beihilfe der deutschen Traditionsbank Lampe nachgegangen. Dabei liegen der Steuerfahndung dazu Aussagen und Dokumente vor. NDR Info hatte am Donnerstag erstmals über die Ermittlungen gegen drei Göttinger Geschäftsleute berichtet, denen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vorgeworfen wird. Nach Erkenntnissen der Steuerfahndung haben die Unternehmer Provisionen aus der Vermittlung von Finanzgeschäften nicht versteuert. Die niedersächsischen Finanzbehörden wollten dazu mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht Stellung nehmen.
Laut Unterlagen weigern sich die Braunschweiger Steuerfahnder, Bankbelegen nachzugehen, die Hinweise auf den Verbleib des Geldes geben. Danach hat einer der Beschuldigten hohe Summen in bar von Konten einer Offshore-Firma abgehoben. Doch die Finanzbehörden beharrten darauf, dass der Verbleib des Geldes „nicht nachvollziehbar und beweisbar“ sei, und teilten die Steuerschuld nach den Anteilen der Geschäftsleute an einer gemeinsamen Firma auf. Trotz einer Dienstaufsichtsbeschwerde nahm die Steuerfahndung die Spur des Bargeldes nicht auf. „Weitere Zeugenbefragungen haben (…) nach den Erfahrungen der Steuerfahndung in gleich gelagerten Fällen keine Aussicht auf Erfolg und sind daher nicht angemessen und verhältnismäßig“, schrieb der Amtsvorsteher der Steuerfahndung im September 2012.
Der frühere Sachgebietsleiter der Steuerfahndung Frankfurt, Frank Wehrheim, hält es für notwendig, derartigen Hinweisen in einem so „großen Fall“ nachzugehen. „Wenn ich Unterlagen über die Barauszahlungen bekomme, dann müssen die Daten unbedingt ausgewertet werden.“ Zudem müsse der Beschuldigte dazu vernommen werden: „Erstmal sprechen die Belege für sich. Wenn einer das alles abholt, dann habe ich den an der Backe und kann den quälen und sagen: Entlaste dich mal.“
Ebenso ist es nach Ansicht Wehrheims notwendig, die Rolle der beteiligten Banken aufzuklären. Nach den Recherchen von NDR Info hatte eine Tochter des Bielefelder Bankhaus Lampe jahrelang hohe Bargeldtransfers für die Göttinger Geschäftsleute über die Briefkastenfirma Armadale PLC mit Sitz auf Mauritius vorgenommen.
Bankunterlagen zufolge wickelte die Atlantic Vermögensverwaltungsbank AG in Zürich, damals eine Lampe-Tochter, allein 2005 bis 2008 auf einem Konto Bar-Ein- und Auszahlungen von mehr als 1,4 Millionen Euro in hohen Einzelbeträgen ab. Nach Angaben eines der drei Beschuldigten holten Atlantic-Mitarbeiter hohe Bargeldsummen persönlich in Göttingen ab. Diese Aussagen und Dokumente liegen der Braunschweiger Steuerfahndung vor. Über Ermittlungen gegen die Bank oder die Berater ist jedoch nichts bekannt, bestätigten fünf potenziell zuständige Staatsanwaltschaften NDR Info. Der hauptzuständige Bankberater arbeitet jetzt in leitender Position bei einer Schweizer Großbank. Nach Einschätzung des Ex-Steuerfahnders Wehrheim liegt „eindeutig Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ der Bank vor. Das Bankhaus Lampe gehört der Unternehmer-Familie Oetker, deren Firmengruppe unter anderem Dr. Oetker und die Henkell Sektkellerei umfasst. Die Bank wollte Fragen zu dem Fall nicht beantworten.
Nach den Enthüllungen des internationalen Rechercheprojekts „Offshore Leaks“ im April, u. a. durch den NDR und die Süddeutsche Zeitung, waren die Möglichkeiten der Steuerfahndung bei Geldwäsche und Steuerhinterziehung verstärkt diskutiert worden. Verantwortliche Politiker versprachen, solche Fälle würden rückhaltlos aufgeklärt.
NDR Norddeutscher Rundfunk