Hamburg – Eine renommierte deutsche Privatbank hat offensichtlich eine wichtige Rolle bei einem Fall massiver Steuerhinterziehung in Göttingen gespielt. Nach Recherchen des Radiosenders NDR Info hat eine Tochter des Bielefelder „Bankhaus Lampe“ jahrelang hohe Bargeldtransfers für drei Göttinger Geschäftsleute über Konten einer Briefkastenfirma mit Sitz auf Mauritius vorgenommen. Ermittlungen der Braunschweiger Steuerfahndung zufolge haben sich die Unternehmer unversteuerte Provisionen aus der Vermittlung von Finanzgeschäften in bar auszahlen lassen. Die Göttinger Geschäftsleute sind Beschuldigte in einem steuerstrafrechtlichen Verfahren und sollen über eine Million Euro Steuern nachzahlen.
Das traditionsreiche Bankhaus Lampe gehört der Unternehmer-Familie Oetker. Deren Firmengruppe umfasst unter anderem Dr. Oetker, die Henkell Sektkellerei sowie die Brauerei Radeberger. Bis 2008 haben die damaligen Lampe-Töchter Lampebank International S.A. in Luxemburg und Atlantic Vermögensverwaltungsbank AG in Zürich die Armadale PLC auf Mauritius verwaltet und ihre Konten geführt. Das belegen Bankunterlagen, die NDR Info vorliegen. Demnach wurden allein 2005 bis 2008 auf einem Konto mehr als 1,4 Millionen Euro in hohen Einzelbeträgen bar ein- und ausbezahlt. Nach Angaben eines der drei Beschuldigten holten Atlantic-Mitarbeiter hohe Bargeldsummen persönlich in Göttingen ab und schrieben sie den Schweizer Konten der Armadale PLC gut. Die Offshore-Gesellschaft im verschwiegenen Steuerparadies Mauritius sei den Göttingern von der Lampebank International S.A. angeboten und übertragen worden, sagte der Geschäftsmann. Als besonderen Kundendienst kaufte ein Bankberater im Auftrag eines der Unternehmer offenbar sogar in Zürich eine „Luminor Marina“ des Luxusuhren-Herstellers Panerai – laut Bankbeleg für 5600 Schweizer Franken in bar.
Diese Aussagen und Dokumente liegen der Braunschweiger Steuerfahndung vor. Über Ermittlungen gegen die Bank oder die Berater ist jedoch nichts bekannt, bestätigten fünf potenziell zuständige Staatsanwaltschaften NDR Info. Nach Einschätzung des früheren Sachgebietsleiters der Steuerfahndung Frankfurt, Frank Wehrheim, sollten die deutschen Behörden Ermittlungen einleiten. „Das ist eindeutig Beihilfe zur Steuerhinterziehung“, sagte er. Der Göttinger Fall sei dabei kein Einzelfall, aber „starker Tobak“, da er von „hoher krimineller Energie“ zeuge. Die niedersächsischen Finanzbehörden beantworteten Fragen mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht. Der hauptzuständige Bankberater arbeitet seit 2008 in leitender Position bei einer Schweizer Großbank. Der Deutsche erklärte, er habe weder „an grenzüberschreitenden Bargeldtransaktionen mitgewirkt“ noch wisse er von Transaktionen, die auch nur „möglicherweise“ den Bereich Geldwäsche oder Steuerhinterziehung berühren könnten. Detailfragen beantwortete er nicht. Das Bankhaus Lampe wollte mit Berufung auf das Bankgeheimnis keine Auskunft zum konkreten Fall geben, erklärte aber, die „angesprochenen Dienstleistungen sind nicht Bestandteil unseres Geschäftsmodells“.
Nach den Enthüllungen des internationalen Rechercheprojekts „Offshore Leaks“ im April, u. a. durch den NDR und die Süddeutsche Zeitung, wird die Rolle von Banken bei Geschäften in Steueroasen verstärkt diskutiert. Politiker und Experten werfen Geldinstituten vor, der Verschleierung von Geldströmen Vorschub zu leisten und Straftaten wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu begünstigen.
NDR Norddeutscher Rundfunk