Los Angeles/Brasilia/Wien – Der investigative Guardian-Journalist und NSA-Aufdecker Glenn Greenwald könnte von der brasilianischen Regierung „Schutz“ erhalten, falls er im Zuge einer möglichen Verfolgung durch US-Behörden darum bittet. Das berichtet die Huffington Post unter Berufung auf einen Artikel der Zeitung „O Estado de S. Paulo“ http://estadao.com.br , die eine anonyme Quelle aus Regierungskreisen zitiert. Obwohl die USA Snowden des Geheimnisverrats beschuldigen und von Russland dessen Auslieferung verlangen, sind gegen den US-Journalisten bislang keine Maßnahmen getroffen worden.
„Ich hoffe, dass Greenwald aufgrund seiner Kollaboration mit Snowden nicht belangt wird, erklärt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich (ROG) http://rog.at , im pressetext-Interview. Es sei absolut notwendig, das Redaktionsgeheimnis und das Menschenrecht auf freie Information zu schützen, so Möhring. Das Thema NSA ist mittlerweile zu ein Politikum von Weltrang avanciert.
Lebt seit acht Jahren in Rio
Greenwald hat am vergangenen Dienstag einen Ausschuss des brasilianischen Senats über das Bespitzelungsprogramm der NSA unterrichtet und dabei den Fokus auf die massive Überwachung Brasiliens gerichtet. Laut Snowdens Dokumenten ist Brasilien das am meisten überwachte Land Lateinamerikas. Greenwald selbst lebt seit acht Jahren in Rio de Janeiro und ist in der Vergangenheit immer wieder in die USA gereist.
„Damit er von dem Land Schutz erhält, muss er diesen erst beantragen“, schreibt O Estado. In dem Blatt heißt es ferner: „Die Regierung ist der Auffassung, dass es ihm dabei nicht möglich sein darf in die USA zurückzukehren, ohne dass er Gefahr läuft vor das geheimen Gericht gestellt zu werden, das die NSA ermächtigt, US-Territorium sowie Ausland zu überwachen.“ Greenwald selbst hat unterdessen gegenüber dem Internet-Magazin Salon http://salon.com erklärt, dass er nicht beabsichtige, Schutz von Brasilien zu beantragen.
USA-Reise nicht ohne Grund
Nichtsdestotrotz nimmt der Journalist die Angelegenheit alles andere als auf die leichte Schulter. „Natürlich nehme ich das Risiko ernst“, so Greenwald. Doch er nehme die verfassungsmäßige Garantie der Pressefreiheit noch ernster. „Sobald es mein Terminplan zulässt, werde ich in die USA reisen – und dafür gibt es einen Grund.“ Welcher dies ist, bleibt vorerst unklar.
Möhring sieht die USA seit dem 11. September in einem großen Dilemma. Mit der Einführung des Patriot Act und zahlreichen anderen Maßnahmen habe man die Sicherheit über die Freiheit gestellt. „Die USA haben als erstes Land überhaupt die Pressefreiheit in ihrer Verfassung verankert, doch mit der Entwicklung der vergangenen Jahre bleibt diese zunehmend auf der Strecke“, spart Möhring gegenüber pressetext nicht mit Kritik.
Erst den „Aperitif“ veröffentlicht
Medien berichten, dass Greenwald noch über weitere Dokumente verfügt, die ihm Snowden ausgehändigt hat, aber bislang nicht veröffentlicht wurden. Das macht ihn zu einer potenziellen Gefahr für die Geheimdienstpolitik sowie die weltweite Reputation der Regierung Obama. „Sein Auftritt war sehr couragiert“, sagt der regierungsnahe Informant von O Estado über Greenwalds Erscheinen im Ausschuss. Er habe gezeigt, dass er im Besitz einer außergewöhnlich großen Menge an Informationen sei. „Was bis jetzt rauskam, war nur der Aperitif.“
Während einige konservative Politiker des US-Kongresses neben Snowden auch ihn zur Verantwortung ziehen wollen, haben etliche Abgeordnete in Brasilia demonstrativ ihre Sympathie mit Greenwald bekundet. Sie trugen Snowden-Masken vor seiner Anhörung. Wie ein vermeintlicher „Schutz“ der brasilianischen Regierung aussehen könnte und ob er auch politisches Asyl beinhaltet, ist unklar. Snowdens Asylgesuch wurde jedenfalls abgelehnt.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Sebastian Köberl
Greenwald: Edward Snowden hat sich ihm anvertraut (Foto: flickr/Gage Skidmore)