Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen in Niedersachsen deutlich länger auf einen Facharzttermin warten als Privatversicherte. Das hat eine Untersuchung im Auftrag der Göttinger Grünen-Bundestagsabgeordneten Viola von Cramon ergeben. Sie liegt dem NDR vor. Danach bekamen Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse im Schnitt 24 Tage später einen Termin als Privatversicherte. Für die Studie haben die Autoren im Juli mehrfach bei 340 Facharztpraxen überall im Land angerufen und um einen Termin gebeten. Sie gaben dabei an, entweder gesetzlich oder privat versichert zu sein.
Regional ergaben sich dabei große Unterschiede. Während Kassenpatienten in der Region Lüneburg 41 Tage länger auf einen Facharzttermin warten mussten, betrug der Abstand in der Region Braunschweig, Wolfsburg und Goslar 30 und in Hannover bzw. Hildesheim 28 Tage. Am geringsten war die Differenz in Oldenburg, Vechta und Osterode. Hier lag sie bei 15 Tagen.
Große Unterschiede traten in der Untersuchung auch mit Blick auf die Fachrichtungen zu Tage. So ließen Hautärzte und Neurologen Kassenpatienten besonders lange warten (48 bzw. 43 Tage länger als Privatversicherte). Bei HNO-Praxen und Kardiologen war die Differenz vergleichsweise niedrig (fünf bzw. zwölf Tage). Besonders extreme Erfahrungen machten die Anrufer bei einer Hautarztpraxis in Lüneburg. Hier bekam der gesetzlich Versicherte erst einen Termin in 190 Tagen angeboten, der Privatpatient in 33 Tagen. Ein Oldenburger Neurologe wiederum wollte den Patienten der gesetzlichen Krankenkasse 140 Tage warten lassen, den privaten neun.
Von Cramon bezeichnete die in der Studie festgestellten Unterschiede als nicht fair: Dies gelte gerade für Kassenpatienten mit ernsthaften Problemen. „Wenn Ärzte für einen Privatpatienten mehr als das Doppelte an Honorar bekommen, gibt es aber einen systematischen Anreiz, diese auch zu bevorzugen.“ Der Chef der kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen, Mark Barjenbruch, sagte, im Notfall bekomme jeder Patient umgehend einen Termin. Ärzte würden jedoch mit Blick auf Honorarabrechnungen auch ökonomisch entscheiden. „Wir können die Zahl der Ärzte nicht verdoppeln.“ Deshalb müssten Patienten auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen.
Die Untersuchung von Cramons ergab jedoch auch, dass der Versicherungsstatus bei immerhin fast jeder dritten Praxis in Niedersachsen unerheblich war. Vergleichbare Studien mit ähnlichen Ergebnissen konnten die Grünen kürzlich auch für die Länder Bayern und Hessen vorlegen. Ärztevertreter hatten sie unter anderem mit der demografischen Entwicklung, regionalen Unterschieden und den größeren medizinischen Behandlungsmöglichkeiten begründet.
NDR Norddeutscher Rundfunk