Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ermittelt in großem Umfang gegen Dienstleistungsfirmen der deutschen Fleischindustrie. Das ergeben NDR-Recherchen für die Dokumentation „Lohnsklaven in Deutschland“, die am Montag (24. Juni) um 22.45 Uhr im Ersten gesendet wird . Besonders im Visier der Fahnder ist ein kaum zu durchschauendes Geflecht von Subunternehmern und Briefkastenfirmen in der Region Duisburg, Moers und Kamp-Lintfort. Diese Firmen organisieren die Anwerbung von Arbeitskräften aus Rumänien und Polen, die dann an verschiedene Schlachthöfe in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland Pfalz als sogenannte Werkvertrags-Mitarbeiter vermittelt werden. Für Branchenkenner sind es „Billiglöhner“ und „Lohnsklaven“.
Der Verdacht der Düsseldorfer Ermittler: Dieses Firmengeflecht habe jahrelang Steuern und Sozialabgaben „in großem Umfang“ hinterzogen. Gegenüber dem NDR erklärte der Düsseldorfer Staatsanwalt Ralf Möllmann, dass dies „ein besonders umfangreiches Verfahren mit einer Vielzahl von Beschuldigten“ sei. Am 14. Mai hätten deshalb 450 Staatsanwälte, Zöllner und Steuerfahnder bundesweit Wohnungen und Büros von 22 Beschuldigten durchsucht. Derzeit werden viele beschlagnahmte Computer und Unterlagen ausgewertet.
Mit diesem Düsseldorfer Großverfahren gerät die Fleischindustrie noch mehr unter Druck. Denn auch die Oldenburger Staatsanwaltschaft ermittelt seit Jahren wegen ähnlicher Vorwürfe und hat zwischenzeitlich Anklage erhoben, unter anderem gegen den Verantwortlichen eines Schlachtbetriebs, der zur Wiesenhof-Gruppe gehört.
In der NDR-Dokumentation „Lohnsklaven in Deutschland“ schildern Leiharbeiter aus den Schlachthöfen im Oldenburger Münsterland – darunter auch die der Firmengruppe Wiesenhof – ihre bedrückende Situation: Ihre Schlafplätze seien in der Regel seien völlig überfüllte Zimmer, die Arbeitszeiten chaotisch und willkürlich, die – zumeist nur bar ausgezahlten – Löhne viel geringer als zuvor vereinbart, bei Beschwerden werde mit Kündigung gedroht.
Die entsprechenden Unterlagen für all diese Behauptungen liegen den Autoren der NDR-Dokumentation vor. Auch heimlich gedrehte Bilder beweisen, wie unwürdig die Lebens- und Arbeitssituation der Betroffenen ist.
Die betroffenen Firmen wollten sich alle nicht vor der Kamera äußern, bestritten aber schriftlich alle Vorwürfe. Mehrfach wurden die Autoren der NDR-Dokumentation von Mitarbeitern des Werksschutzes bei ihren Dreharbeiten behindert. Einige der für die Zustände Verantwortlichen versuchten auch, bestimmte Aufnahmen und Interviews durch ihre Anwälte schon vor der Ausstrahlung zu verhindern.
NDR Presse und Information