Caracas – Der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez ist in der Nacht auf heute, Mittwoch, an einer schweren Infektion infolge seines zweijährigen Krebsleidens in Caracas verstorben. Erst im Oktober des Vorjahres wurde der kontroverse Politiker für eine dritte Periode bis 2019 im Amt bestätigt. Sein Charakter war mindestens so polarisierend wie die Beurteilung seines politischen Erbes. In den 14 Jahren seiner Amtszeit hatte Chávez die Chance, Venezuela wesentlich voranzubringen. Diese ließ er jedoch ungenutzt.
Auf der Seite der Armen
Einer der größten Verdienste ist zweifellos sein Fokus auf die Situation der in Armut lebenden Bevölkerungsschichten. Chávez rückte Themen wie gesellschaftliche Ungleichheit und soziale Exklusion in den Mittelpunkt des nationalen Diskurses und vermittelte sozial Schwachen das Gefühl, das es kein Zufall sei, dass „einer von ihnen“ an der Spitze des Staates stehe und nutzte die steigenden Einnahmen aus Erdöl-Exporten für Sozialmaßnahmen. Chávez gab vielen von ihnen ein neues Selbstbewusstsein und beendete mit seinem Eintritt in die Politik die von den veralteten Systemparteien verursachte Teilnahmslosigkeit und Politikverdrossenheit.
Korruption und Misswirtschaft
Doch „El Commandante“ hinterlässt gleichzeitig ein Land mit überaus großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Stark ansteigende Staatsschulden, eine hohe Inflationsrate und eine abnehmende Produktivität sind die Hauptprobleme der Wirtschaft (pressetext berichtete: http://pte.com/news/20121017002 ). Hinzu kommen großer Wohnungsmangel und eine hohe Arbeitslosigkeit. Während das Land in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsattraktivität dem internationalen Vergleich nicht standhält, gilt Venezuela als einer der korruptesten Staaten der Welt.
Als „bolivarische Bourgeoisie“ ist die herrschende Oligarchie mit engen Regierungskontakten in der Bevölkerung bekannt. Sie hat es in den vergangenen Jahren mithilfe korrupter Deals mit Regierungsstellen zu Reichtum geschafft. Chávez war jedoch angetreten, um genau diese Missstände abzuschaffen.
Sündenfall Kriminalität
Doch nicht nur die wirtschaftliche Situation ist prekär. Chávez Politik forderte ein weiteres Opfer in Form einer gespaltenen Gesellschaft. Die Tonalität seiner Amtszeit war geprägt von scharfen Ressentiments, populistischen Revanchegelüsten und harter Rhetorik. Venezuela ist unter dem Sozialisten zu einem lebensbedrohlichen Pflaster geworden und zählt mittlerweile zu den Ländern mit den weltweit höchsten Mord- und Entführungsraten. Städte wie Bagdad oder Kabul sind sicherer als Caracas. Diese grassierende Kriminalität wirft wohl den dunkelsten Schatten auf Chávez‘ Amtszeit.
Seine große Popularität gepaart mit den finanziellen Ressourcen aus dem Erdölgeschäft haben dem Langzeit-Präsidenten enorme Spielräume und Machtbefugnisse eingeräumt. Er tat, was er wollte. Chávez ließ beispielsweise die Nationalflagge abändern und schuf für Venezuela eine eigene Zeitzone. Er stellte die Uhren um eine halbe Stunde zurück. Einige meinen, das habe er auch mit dem Land getan.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Sebastian Köberl
Caracas: nicht immer blauer Himmel (Foto: flickr.com/Paulino Moran)