Halle – Forscher des Fraunhofer Instituts für Werkstoffmechanik IWM http://iwm.fraunhofer.de haben mit Industriepartnern spezielle Anstriche entwickelt, um Schiffsrümpfe frei von unerwünschten Anhängseln zu halten. Wechselnd gepolter Stromfluss sorgt dabei für wasserelektrolytische Prozesse. „Durch diese Wasserelektrolyse wird ein pH-Stress erzeugt“, erklärt Uwe Spohn vom IWM im Gespräch mit pressetext. Das heißt, dass das Wasser nach diesem von der Firma bioplan http://www.bioplan-online.de patentiertem Prinzipin einer sehr dünnen Schicht am Rumpf zwischen stark sauer und stark basisch schwankt, was Algen, Muscheln und Seepocken abschreckt.
Da Schiffe ohne solch unerwünschte Passagiere am Rumpf reibungsloser durch das Wasser gleiten, kann das viel Treibstoff und somit Geld sparen. Gleichzeitig bietet das neue System aber auch einen ökologischen Vorteil. Denn bisher genutzte biozide Schutzanstriche, die einen Befall von Schiffsrümpfen verhindern sollen, sind Gift für die Umwelt und teils wirklich toxisch für die Meeresflora.
Wenig Strom, viel Wirkung
Ein stark mit Seepocken und anderen Meeresbewohnern bewachsener Schiffsrumpf bremst und kann bis zu 40 Prozent mehr Treibstoffverbrauch bewirken. Bei Einsatzschiffen wie Feuerlöschbooten kommen dazu Sekundärrisiken „Wenn so ein Schiff stark bewachsen ist, erreicht es die Geschwindigkeit gar nicht mehr, die es eigentlich bräuchte, um schnell zum Einsatzort zu gelangen“, erklärt Projektkkordinator Manfred Füting vom IWM. Schutzanstriche gegen Seepocken- und anderen Befall sind also logisch, doch haben bisherige Schutzlacke den Nachteil, dass sie über die Anreicherung abgegebener biozider Bestandteile Ökosysteme langfristig schädigen können.
Das neue System dagegen basiert auf Nanokompositlacken der Firma NTC http://ntcgmbh.com , die durch Dispersion von entsprechenden Partikeln elektrisch leitfähig gemacht und in einem Mehrschichtsystem auf den Schiffsrumpf aufgebracht werden. Ein angelegter Gleichstrom von weniger als 0,2 Milliampere pro Quadratzentimeter reicht dann, um den pH-Wert des Wassers direkt am Rumpf zu verändern und durch regelmäßiges Umpolen kommt es zu jenen extremen pH-Schwankungen, die für Muscheln, Algen oder Seepocken äußerst unangenehme Umweltbedingungen bedeuten.
Schutz vor Anker liegender Schiffe
Die Stromversorgung für das Schutzsystem kann über Generatoren, Photovoltaikmodule oder Landstrom erfolgen. Letzteres ist insofern sinnvoll, da Muscheln und andere Lebewesen bevorzugt Boote vor Anker befallen – der Schutz ist also insbesondere im Hafen wichtig, wo eine Versorgung gerade von großen Schiffen per Landstrom durchaus üblich ist. Dass der Ansatz funktioniert, haben inzwischen auch erste Tests mit einem Boot der Fischereiaufsicht in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Jetzt gilt es, das System noch weiter zu optimieren.
Potenzielle Konkurrenz sind bionische Ansätze, die Schiffe mit Oberflächenstrukturen beispielsweise ähnlich der Haifischhaut schützen. „Das ist dann gut, wenn ein Schiff schnell unterwegs ist“, bestätigt Spohn. Allerdings beruht der Schutz der Haifischhaut vor Schädlingen letztlich darauf, dass sich der Raubfisch stets relativ schnell bewegt – die Wirksamkeit davon inspirierter Lösungen für ruhende Schiffe vor Anker ist also eingeschränkt. Theoretisch sollte es aber möglich sein, die Vorzüge solcher Systeme mit jenen der Fraunhofer-IMW-Entwicklung zu kombinieren.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Thomas Pichler
Forscher und Test-Rumpf: Keine Spur von Seepocken (Foto: Fraunhofer IWM)