Potsdam/Bremen – Den weltweiten Korallenriffen drohen selbst bei einer globalen Erwärmung von nur zwei Grad erhebliche Risiken. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature Climate Change. Eine erwärmte Meeresoberfläche wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vielerorts zu großflächiger Korallenbleiche führen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur über die Zwei-Grad-Grenze Korallenriffe an den Küsten unserer Meere großflächig geschädigt werden könnten, wenn man die gegenwärtigen Annahmen zur Temperaturempfindlichkeit zugrunde legt“, so Leitautorin Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) http://pik-potsdam.de . Was unsicher ist, ist die Frage, ob die Korallenriffe sich an die höheren Temeperaturen anpassen können. Geschieht das nämlich nicht, werden bis 2030 rund 70 Prozent der Korallenstandorte langfristige Schäden erleiden.
Großer Umfang neuer Analysen
„Das ist im Prinzip keine überraschende Erkenntnis, denn schon frühere Studien haben zurecht immer wieder in diese Richtung gedeutet“, meint Korallen-Experte Christian Wild vom Leibniz Institut für marine Tropenökologie http://www.zmt-bremen.de im pressetext-Gespräch. „Neu sind allerdings der beeindruckende Umfang des analysierten Datensatzes und die sehr drastischen und dringlichen Stellungnahmen der Autoren.“
„Schlüsselbotschaften sind für mich, dass sich Korallen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schnell genug an die durch den Klimawandel verursachte außerordentlich schnelle Ozeanerwärmung anpassen können, und dass die Existenz der uns bekannten Korallenriffe davon abhängt, ob wir es in einem sehr schmalen Zeitfenster von nur einem Jahrzehnt schaffen, unsere Treibhausgasemissionen entscheidend zu verringern“, erklärt Wild.
„Korallenriffe sind zwar ein Erfolgsmodell in der Erdgeschichte, und es gibt sie seit mehreren hundert Mio. Jahren. Allerdings ist die Geschwindigkeit des im Moment stattfindenden Klimawandels so außergewöhnlich schnell, dass sogar wir im Laufe unserer sehr kurzen Menschenleben – das ist noch nicht einmal ein Augenblick im Vergleich zum Alter der Korallenriffe – einen Großteil der Korallenriffe unseres Planeten zugrunde gehen sehen können und werden, wenn es nicht gelingt, sofortige Maßnahmen zur radikalen Emission aller Treibhausgase umzusetzen“, warnt Wild.
Katastrophale Folgen für Menschen
Für fast ein Viertel des Artenreichtums der Ozeane sind Korallenriffe der Lebensraum. Auch für Millionen Menschen bringen sie großen Nutzen, vom Küstenschutz über den Tourismus bis hin zur Fischerei. Die globale Erwärmung und die Versauerung der Meere – beide sind Folgen der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen – stellen für diese Ökosysteme eine erhebliche Gefahr dar.
Die Studie bietet erstmals einen umfassenden weltweiten Überblick über das Bleichen in Abhängigkeit von der globalen Temperaturänderung. Sie wurde von Wissenschaftlern aus Potsdam, der Universität von British Columbia in Kanada, sowie der Universitäten Melbourne und Queensland in Australien durchgeführt.
19 Klimamodelle lieferten Ergebnisse
Um Projektionen für den Wärmestress an 2.160 Riffstandorten weltweit zu errechnen, verwendeten die Forscher ein breites Set von 19 verschiedenen Klimamodellen. Weil viele Emissions-Szenarien und Klimamodelle angewendet wurden, und dies über das gesamte 21. Jahrhundert hinweg, wurden insgesamt mehr als 32.000 simulierte Jahre untersucht. Dies erlaubte eine umfassendere und robustere Analyse von Unsicherheiten als in allen bisherigen Studien.
Die umfassende Analyse zeigt, wie nah wir einer Welt ohne Korallenriffe sind, so wie wir sie kennen. „Das Zeitfenster zum Handeln ist klein, und es schließt sich rasch“, erklärt Malte Meinshausen, Ko-Autor vom PIK und der Universität Melbourne. „Wir schließen dieses Fenster, wenn wir ein weiteres Jahrzehnt ungehemmt immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen.“
Auch Wild meint im Abschluss-Statement gegenüber pressetext: „Dies ist auch ein Appell von meiner Seite in erster Linie an alle Entscheidungsträger in Politik und Industrie, aber auch an alle Mitmenschen, denn die Summe der individuellen Wahlentscheidungen und Verhaltensänderungen kann den Unterschied ausmachen.“
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Wolfgang Weitlaner
Unterwasserwelt: keine guten Zeiten für Riffe und Bewohner (Foto: Weitlaner)