Plön (ots) – Kritik an Hochleistungs-Stromautobahnen für Ökostrom / Alternativen müssen berücksichtigt werden. Dass die Energiewende der erforderliche Schritt in die richtige Richtung ist, daran zweifeln nur wenige. Auch im Kreis Plön ist der Atomausstieg bis zum Jahr 2022 von den Bürgern gewollt. Doch in dem kleinen Pohnsdorf nahe Kiel werden Fragen aufgeworfen, die alle etwas angehen. Denn: Um den künftigen Ökostrom transportieren zu können, sind gigantische neue Stromtrassen geplant. Nach Meinung der Bürgerinitiative „Unter Hochspannung“ fahren auf dem Trittbrett der ökologischen Wende Profitgier sowie das Gerangel um Macht, Einfluss und Kompetenzen mit.
„Alle wollen offenbar profitieren – aber was ist mit den Menschen, die da leben, wo 60 Meter hohe und 30 Meter breite Strommasten Elektrosmog verbreiten und Naturidylle zerstören, für Leitungen, die offenbar nicht zwingend gebraucht werden?“, fragt die Bürgerinitiative im Norden Schleswig-Holsteins „Unter Hochspannung“.
Die neuen bundesdeutschen Höchstleistungs-Stromautobahnen, die derzeit im Netzentwicklungsplan von der Politik hinter verschlossenen Türen diskutiert werden, sind von den Bürgern nicht gewollt. Das hat laut Malte Graf, Sprecher der Initiative, nicht zuletzt die Bürgerbeteiligung mit einer Rekordresonanz von 1500 Wortmeldungen gezeigt. Nach seinen Worten gibt es bessere Optionen als den geplanten Neubau. „Aber derzeit gehen finanzielle Gründe vor Mensch, Tier und Natur.“
„Es muss ergänzende Technologien zu Überlandleitungen geben, Erd- oder Seekabel beispielsweise. Es kann nicht sein, dass die einzige Variante heutzutage noch ist, Landschaften komplett zu verschandeln, Naturschutzgebiete zu zerstören und Lebensqualität massiv zu beeinträchtigen, indem man Stromautobahnen quer durchs Land führt, von denen bei mancher noch gar nicht nachgewiesen ist, ob sie überhaupt benötigt wird“, moniert Karl-Heinz Sieloff, ein weiteres Mitglied der Initiative.
Graf: „Die Energiewende scheint Opfer zu fordern, bedauerliche Einzelschicksale, nach denen keiner fragt. Sie werden offenbar bewusst in Kauf genommen.“ Wo gehobelt wird, da fallen zugunsten von Gigamasten Bäume – auch in Wohngebieten, selbst in FFH-Gebieten. „Die Energiewende ist voll im Gange und das Gerangel um Einfluss, Macht und Kompetenzen entbrannt. Bundesministerien streiten mit den Ländern um Kompetenz, Macht und Profit zu Lasten der Endverbraucher und der Natur“, kritisiert die Initiative.
Info-Veranstaltungen, zu denen Hunderte gehen, wecken zum Leidwesen der Netzbetreiber viele auf, die die Energiewende sonst vielleicht verschlafen hätten. Dennoch – die Erklärung, warum welche Leitung zwingend erforderlich ist, wird denen schuldig geblieben, die Fragen stellen. Die Antworten von Politik und Netzbetreibern sind Allgemeinplätze. „Jahrelang wurden die Netze missbräuchlich bewirtschaftet und keinen hat’s gestört, nun auf einmal soll alles ganz schnell gehen. Die Höchstspannungsnetzbetreiber haben einen Netzentwicklungsplan quasi über Nacht entworfen und kaum einer kann die Zahlen und Daten kontrollieren oder gar nachvollziehen“, sagt Graf. Er erinnert an die teilweise drastische Kritik der Kommunen und Verbände am Entwurf zum Netzentwicklungsplan, die bisher ungehört in den Tiefen der politischen Ränkespiele verhallt sei. Denn: Alle kritisierten Trassen sind nach wie vor noch im zweiten Netzentwicklungsplan enthalten.
Dieser wird nun von der Bundesnetzagentur, die Philipp Rösler (FDP) untersteht, neu geprüft und eine weitere Konsultation hat gerade begonnen. „Gemessen am bisherigen Agieren von Rösler wird diese neue Bürgerbefragung ebenfalls keine weiteren Veränderungen mit sich bringen – ungeachtet der sachlichen Argumente, die gegen die Trassenführungen sprechen“, sorgt sich Graf. Er fragt: „Warum werden Bürger scheinbar beteiligt, Verbände und Sachgremien befragt, wenn deren Anregungen nicht berücksichtigt werden?“ Die Höchstspannungs-(380- und 220-Kv) und Übertragungsnetzbetreiber (110-Kv und kleiner) planen ihre Stromtrassen weiterhin parallel nebeneinander. Das Motto lautet Masse statt Klasse. Das propagierte Prinzip „NOVA“: „Netzoptimierung vor Verstärkung vor Ausbau“ werde nicht verfolgt.
„Diese rücksichtslose Vorgehensweise konterkariert alle Diskussionen zum ökologischen Wandel. Sie hat dramatische, noch weithin unkalkulierbare Auswirkungen auf Menschen und auf die Natur, zumal die gigantischen 380-Kv Oberlandleitungen, wenn sie erst einmal stehen, die nächsten 60 bis 80 Jahre begleiten werden. Dieser Schaden ist nicht mehr gut zu machen“, warnt Graf.
Für den stark in die Kritik geratenen Trassenneubau Göhl-Kiel, der bis weit über die schleswig-holsteinischen Grenzen als Beispiel für andere geplante Stromautobahnen diskutiert wird, laufen Bürger, Kommunen und Naturschutzverbände Sturm. Er markiere den Gipfel um Profit unter dem Deckmantel des Umweltschutzes. Eine Notwendigkeitserklärung für die Stromautobahn von Ostholstein bis in die Landeshauptstadt steht aus. Die „Trittbrett-Trasse“, wie die Umweltschutzverbände die scheinbar überflüssige Verbindung quer durchs Land nennen, wird Landschaft zerstören, Lebensqualität mindern, Gesundheit bedrohen. Doch bei einer garantierten Rendite von 9 Prozent würden vernünftige Gründe von Politik und von den verdienenden Netzbetreibern ausgeblendet.
Über die Bürgerinitiative „Unter-Hochspannung“
Unter Hochspannung wurde am 27.02.2012 gegründet“ und setzt sich aus mehr als 115 Bürgern der Gemeinde Pohnsdorf, Weinbergsiedlung und Bredeneek zusammen. Generell sprechen wir uns für die Förderung regenerativer Energien aus und dem damit notwendigen Ausbau des Stromnetzes. Hierbei muss allerdings ein verträglicher Umgang mit den betroffenen Anwohnern, der Natur und der Umwelt geschaffen werden.
Unser Ziel ist es, zu verhindern, dass die geplante Trassenführung der TenneT durch Pohnsdorf, Weinbergsiedlung und Bredeneek führt. Für diesen Trassenabschnitt gibt es keine Notwendigkeit.
Weitere Informationen unter: www.unter-hochspannung.de
Bürgerinitiative „Unter-Hochspannung“