London/Berlin – Großbritannien bleibt von den gegenwärtigen Entwicklungen in den Euroländern nicht verschont. Bei einer weiteren Verschärfung der Krise wären Auswirkungen auf den britischen Arbeitsmarkt, den Finanzstandort London oder die Kreditvergabe vorprogrammiert. Dennoch ist die Lage derzeit nicht schlecht. „Der Ausblick für Großbritannien ist durchaus positiv. Rückschläge sind zwar immer wieder möglich, aber die Innovationsfähigkeit in der Industrie und die Olympischen Spiele haben der britischen Wirtschaft einen zusätzlichen Impuls gegeben“, erklärt Andreas Meyer-Schwickerath, Geschäftsführer der Britischen Handelskammer in Deutschland http://bccg.de , im Gespräch mit pressetext.
Striktere Kreditbedingungen
Experten sind sich einig. Eine Verschärfung der Eurokrise würde dazu führen, dass auch britische Banken bei der Kreditvergabe restriktiver vorgehen, um das Risiko eines Ausfalls weitestgehend zu mindern. Insbesondere Erstkäufer von Immobilien werden das zu spüren bekommen. Ein Eigenkapital in der Höhe von 20 Prozent des geliehenen Geldes wird notwendig sein. In Zeiten des gelockerten Kündigungsschutzes und prekärer Arbeitsverhältnisse wird der Erwerb von Eigenheimen jedoch immer unsicherer. Griechische und italienische Investoren zeigen schon Interesse am britischen Immobilienmarkt. Selbständige Unternehmer, die bereits einmal in Zahlungsrückstand gekommen sind, werden künftig noch akribischer beleuchtet bzw. das ausgeliehene Geld noch höher verzinst.
Wenig Vertrauen, kaum Investitionen
Die Eurozone ist für Großbritannien der weltweit wichtigste Handelspartner. Offiziellen Statistiken zufolge sind 2011 knapp 47 Prozent der britischen Ausfuhren in die Euroländer gegangen. 43 Prozent des gesamten britischen Importvolumens stammen ebenfalls von dort. Das heißt, die Abhängigkeit ist enorm. „Insbesondere die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland sind von großer Bedeutung. Das bilaterale Handels- und Dienstleistungsvolumen beträgt jährlich 147 Mrd. Euro. Die Lieferungen nach Deutschland haben 2011 gegenüber 2010 um 27 Prozent zugelegt. Die Exporte nach Großbritannien verzeichneten ein Plus von 14 Prozent“, erläutert Meyer-Schwickerath.
Ein langfristiger Euro-Abwärtstrend würde aber nicht nur Europa, sondern auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Berlin und London treffen. Die Nachfrage nach britischen Gütern und Dienstleistungen würden geringer und Stellenstreichungen unumgänglich, vorwiegend im Produktionsbereich. Das fehlende Vertrauen in den Euro macht neue Investitionen unattraktiver. Junge Arbeitnehmer und Berufseinsteiger bekämen das zu spüren. Hinzu kommen die volatilen Börsenkurse, die Anleger abschrecken.
Pfund gewinnt dennoch an Wert
Der Euro schwächelt, das Pfund erholt sich. Für ein Pfund erhält man derzeit 1,261 Euro. Ein Wert, der seit drei Jahren nicht mehr erreicht wurde. Ob es nun ein Strandurlaub in Südspanien ist oder eine Stadtbesichtigung in Berlin, britische Touristen freut diese Entwicklung, kommen sie doch mit ihrem Geld nun weiter als sonst.
Der herkömmliche britische Sparer kann sich im Ernstfall auf eine Einlagensicherung von 85.000 Pfund verlassen, sollte die Bank seines Vertrauens vom Markt verschwinden. In den Euroländern gibt es eine Sicherung von 100.000 Euro. Bei der großen Bankenpleite in Island 2008 war auch britisches Geld betroffen. Die damalige Regierung sprang den Sparern hier zur Seite. Für zukünftige staatliche Hilfsaktionen dieser Art gibt es allerdings keine Gewähr.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Sebastian Köberl
Tower Bridge: England von Eurozone abhängig (Foto: pixelio.de, Tibor Handke)