München/Leipzig/Oakland – Fettleibigkeit von Kindern und Jugendlichen ist eine „Zeitbombe“ für die Herzgesundheit, warnen Experten am europäischen Kardiologenkongress http://escardio.org in München. Mit dem zunehmenden Übergewicht in der jungen Generation steigt das Risiko für Probleme des Herz-Kreislauf-Systems sowie zahlreicher anderer Krankheiten und Benachteiligungen. Ein Gegenwirken hat nur auf Ebene der Familie langfristige Erfolgschancen, denn „alle Schulprogramme haben bei großem Aufwand wenig Überzeugendes erreicht“, wie der Arteriosklerose-Spezialist Peter Schwandt im pressetext-Interview resümiert.
Im Schnitt zwei Risikofaktoren
Wie schlimm die Folgen von Übergewicht sind, verdeutlichen die Ergebnisse der 15 Jahre dauernden „PEP Family Heart Study“ http://bit.ly/PIubaF an 11.000 Nürnberger Kindern, die Schwandt geleitet hat. Bei 80 Prozent der Normalgewichtigen wurde in den Laborwerten kein einziger Risikofaktor festgestellt, was unter Übergewichtigen nur bei 17 Prozent und unter Adipösen nur bei zwei Prozent der Fall war. „Im Schnitt haben Übergewichtige außer dem Gewicht zwei, Adipöse sogar drei weitere Risikofaktoren“, sagt der Forscher, der in München das Arteriosklerose-Präventions-Institut http://bit.ly/PizbnR leitet.
„Zunächst bedeutet das, dass die Prognose dieser Kinder ebenfalls schlechter ist, selbst wenn kardiovaskuläre Risikofaktoren wie erhöhte Blutfett- oder Blutdruckwerte sowie erhöhter Taillenumfang fehlen“, erklärt Schwandt. Damit jedoch nicht genug: „Dicke Kinder sind später nicht nur durch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems bedroht, sondern unter anderem durch Diabetes mellitus und Schäden des Bewegungsapparates.“ Auch um soziales Stigma, niedrigen Selbstwert, psychische Störungen und Ausbildungsnachteile zu verhindern, sollte man vermehrten Fettansatz möglichst früh erkennen und verhindern, drängt der Experte.
Herzkammer und Galle
Übergewicht tritt zudem schon im Kindesalter oft gemeinsam mit verschlechterter Funktion der linken Herzkammer auf, berichten Forscher um Norman Mangner vom Herzzentrum Leipzig http://herzzentrum-leipzig.de . Eine weitere neue Erkenntnis ist das erhöhte Gallenstein-Risiko, besonders bei adipösen Mädchen, wie kalifornische Forscher von Kaiser Permanente im „Journal of Pediatric Gastroenterology & Nutrition“ http://1.usa.gov/SHr1EM verdeutlichen. „Der Trend ist alarmierend: Adipöse Jugendliche zeigen immer öfter Krankheiten, die es bisher nur bei Erwachsenen gab“, sagt Studienleiterin Corinna Köbnik.
Prävention braucht Familie
Alle Forscher fordern mehr Prävention und Maßnahmen zur Gewichtsabnahme für Kinder. Oft ein sehr schwieriges Unterfangen, auch da Eltern „gerne zu einer äußerst wohlwollenden Einschätzung des Übergewichts ihrer Kinder neigen“, wie Schwendt betont. Allerdings habe die PEP-Studie gezeigt, dass man sehr wohl auf Familienbasis das Balancehalten zwischen Kalorienzufuhr und Kalorienverbrauch lernen kann. „Dazu gehört mehr Bewegung und die Erfahrung, dass es mit weniger Fett und Zucker bei mehr Obst und Gemüse sogar noch besser schmecken kann, besonders wenn die Eltern vor- und mitmachen.“
Schulische Adipositas-Prävention hingegen bringt laut PEP-Studie trotz enormen Anstrengungen nur wenig Erfolg. Eine wichtige Funktion gesteht der Münchner Herzspezialist der Schule dennoch zu: Untersuchungen beim Schularzt ermöglichen es, über die Kinder als Träger eines kardiovaskulären Risikofaktors Risikoeltern zu entdecken. Maßnahmen für alle Altersgruppen sind wichtig, leben doch allein in der EU 150 Mio. Erwachsene und 15 Mio. Kinder mit Adipositas. Übergewicht ist hierzulande somit bereits die häufigste gesundheitliche Störung im Kindesalter.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Johannes Pernsteiner
Adipositas: Familie hat ernormen Einfluss (Foto: Flickr/Malias)