Bimbo: Heimlicher Vorstoß Mexikos in den US-Markt (Foto: Flickr/Maggie)

Mexikos Wirtschaft auf US-Feldzug – Rekordhoch an Direktinvestitionen nördlich der Grenze

Mexiko-Stadt – Mexikos wirtschaftliche Rolle in Nordamerika beschränkt sich nicht mehr auf jene des Billigexporteurs, dessen Erfolg einzig auf Fremdinvestitionen beruht: Zunehmend gehen die nationalen Monopolisten auf Einkaufstour zu ihrem nördlichen Nachbarn, schildert Adam Thomson in der Financial Times (FT) http://on.ft.com/Nlblrq . Mehr als je zuvor – 8,4 Mrd. Dollar – erhielten die USA an mexikanischen Direktinvestitionen zwischen 2006 und 2011. Der FT-Autor spricht sogar von einer „Reconquista“ – der Rückeroberung jener Regionen, die bis 1846 zum Teil mexikanisches Territorium waren. Der Vergleich sei viel zu gewagt, befinden andere.Bimbo: Heimlicher Vorstoß Mexikos in den US-Markt (Foto: Flickr/Maggie)

 

Backwaren, Baustoffe und Bier

 

Ein Beispiel dieser Entwicklung liefert der Baustoffgigant Cemex, der es mit 10,5 Prozent Marktanteil bereits Branchenprimus der USA ist. Ähnlich der Broterzeuger Bimbo, der 2010 den US-Bäcker Sara Lee um knapp eine Mrd. Dollar schluckte, oder der Fernsehsender Televisa, der im gleichen Jahr 1,2 Mrd. Dollar in das spanischsprachige US-Netzwerk Univision investierte. Das mexikanische Industriekonsortium Alfa bohrt in Texas nach Gasvorkommen, Carlos Slim als reichster Mann der Welt sammelt eifrig Anteile am US-Telefonmarkt. Auch Corona Extra als meistverkauftes Importbier in den USA könnte man hier nennen, wäre nicht inzwischen seine Brauerei Modelo fest in US-Händen.

Die florierenden Inlandsgeschäfte dieser Akteure sind laut Thomson der wichtigste Motor: Mexiko habe den Einbruch von 2009 weggesteckt und dürfte 2012 laut IWF um bis zu 3,9 Prozent wachsen – doppelt so viel wie der Jahresschnitt seit 2000, was aktuell auch das Rekordhoch der Börse von Mexiko-Stadt widerspiegelt. Die Darstellung, wonach das mittelamerikanische Land vielleicht zum „neuen Stern“ der Region aufsteigt und Brasilien als größte Volkswirtschaft ablöst, wird vom Hamburger Mexikoexperten Christof Parnreiter allerdings vehement in Frage gestellt (pressetext berichtete: http://bit.ly/Nq14EA ).

Zuhause herrscht Monopol

Mitspielen dürfte jedoch sicher, dass Mexiko die geografische Grenzlage sowie auch die Bevölkerungsentwicklung des Nachbarns zugute kommt: Zwölf Mio. Mexikaner leben in den USA und 52 Mio. haben lateinamerikanische Wurzeln, was 16 Prozent der US-Bevölkerung ausmacht. Prognosen sehen für 2050 eine Steigerung auf insgesamt 125 Mio. bzw. 30 Prozent, gehört doch bereits heute schon jeder Vierte unter 20 Jahren zu den „Hispanics“. Gegenüber dieser Zielgruppe, deren Kaufkraft für 2013 auf 1,3 Bio. Dollar geschätzt wird, genießen mexikanische Firmen gewisse Heimvorteile.

Ihre große Kaufkraft in Übersee beziehen Mexikos Multinationale – häufig auch als „Multilatinas“ betitelt – von zuhause. So gut wie alle Wirtschaftssektoren werden hier von einem bis maximal zwei Unternehmen regiert, deren Dominanz den Einstieg von Neustartern de facto verunmöglicht. „Die Akteure herrschen über ihren Sektor und lassen die Lehen der anderen unberührt, um den Status Quo nicht zu verändern. In Mexiko steckt enormes Unternehmertalent, viele Generationen sind jedoch mit einer feudalen Sicht auf ihr Land groß geworden“, analysiert Eduardo Perez Motta, Präsident der Wettbewerbsbehörde Cofeco.

Von Gleichgewicht weit entfernt

Dennoch ist die Reconquista-Darstellung reichlich überzogen, urteilt Romano Marcos vom AußenwirtschaftsCenter Mexiko der österreichischen Wirtschaftskammer http://wko.at/aussenwirtschaft/mx/ im pressetext-Interview. „Die USA investiert in Mexiko um ein Vielfaches mehr als umgekehrt“, stellt der Experte klar. Daten des mexikanischen Statistikinstitutes INEGI belegen dies: Den 8,4 Mrd. Dollar Mexikos für die USA stehen 60,2 Mrd. Dollar US-Direktinvestitionen in Mexiko im gleichen Siebenjahreszeitraum oder zehn Mrd. Dollar allein 2011 gegenüber.

Mexikanische Player bleiben laut Marcos in anderen Märkten eher seltene Ausnahmen, zudem würde Mexikos Bevölkerung von diesen Investitionen kaum profitieren. Vielmehr sei Mexikos Realität vom Wettkampf mit Brasilien und Argentinien um ausländisches Geld bestimmt. „Mexiko punktet durch seine Lage, das gut ausgebildete Personal und niedrige Löhne“, sagt der Experte. Infolge der Freihandelsabkommen zieht es derzeit viele Auto- und Autoteil-Produzenten ins Land: In den Startlöchern stehen unter anderem Audi, Mazda, Nissan, Daimler Trucks und BMW.

pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Johannes Pernsteiner
Bimbo: Heimlicher Vorstoß Mexikos in den US-Markt (Foto: Flickr/Maggie)