Sony: Kritiker sagen Japan verschläft Trends (Foto: Wikipedia, gemeinfrei)

Japans Hightech-Konzerne verschlafen Trends – Kritiker sprechen von „Galapagos Syndrom“ – Rakuten profitiert

Tokio – Die ehemals dominanten japanischen Elektronikkonzerne befinden sich in einer Krise. Sie haben wichtige globale Trends wie das Smartphone verschlafen und zu wenig in den Aufbau von weltumspannenden Internet-Netzwerken und -Services investiert, berichtet das Wall Street Journal. Als Mitgrund für die momentane Misere wird das „Galapagos Klima“ gewertet. Während sich auf der abgeschiedenen Inselgruppe eine eigene unabhängige Flora und Fauna entwickelt hat, gedeiht auf dem japanischen Archipel von der Außenwelt abgeschottet eine Hightechbranche, die global den Anschluss verloren hat.Sony: Kritiker sagen Japan verschläft Trends (Foto: Wikipedia, gemeinfrei)

 

„Durch die Krisen bei Sony und Sharp wird jetzt häufig die gesamte japanische Elektronikindustrie schlechtgeredet, aber diese beiden Konzerne sind bei weitem nicht alles was Japan zu bieten hat. Gerade die Elektronikkonzerne in Japan sind eigentlich extrem international aufgestellt und wissen, wie die Märkte funktionieren. Der Technologiewandel ist aber sehr schnell und sehr große Konzerne können oft nicht rasch genug reagieren. Auch der Druck durch billigere Standorte wie Korea oder Taiwan ist gestiegen“, erklärt David Chiavacci von der Universität Zürich http://ostasien.uzh.ch im Gespräch mit pressetext.

 

Gala-Kei

Exemplarisch für den Zustand der japanischen Hightech-Kozerne ist der Handy-Markt. Während die internationale Konkurrenz schon längst Smartphones produziert hat, haben Japans Vorzeige-Konzerne zu lange an den andernorts schon beinahe obsoleten Feature-Phones festgehalten und so anderen Herstellern praktisch das Feld überlassen. Deshalb nennen die Japaner solche verstaubten Handymodelle auch „Gala-Kei“, eine Zusammensetzung aus Galapagos und dem umgangssprachlichen japanischen Wort für Mobiltelefon.

„Der Erfolg von Japans Konzernen hängt oft von wenigen Produkten ab. Durch die stärkere Konkurrenz können einige Firmen die Produktpalette nicht mehr in gewohnter Breite planen“, so Chiavacci. Auch den Trend zu Online-Dienstleistungen hat Japans Hightech-Industrie verschlafen. Während Apple, Google und Co ihr Geld mit Services, Software und Content verdienen, setzten Firmen aus dem Kaiserreich zu lange stur auf die Herstellung von Hardware. „Die Stärke von Japans Elektronikkonzernen war immer die Herstellung von Hardware. Ökosysteme wie sie IBM und Microsoft aufgestellt haben, sind teuer, vor allem wenn sie sich an den Endkunden richten“, so der Japan-Experte.

Eine große Ausnahme ist Rakuten http://global.rakuten.com , die japanische Antwort auf Amazon. Das Unternehmen setzt sich unter anderem aus einer Online-Handelsplattform, einem Reiseportal und einem Anbieter für Online-Bezahlservices zusammen. Mit dieser Mischung feiert Rakuten große Erfolge. Der Börsenwert des Unternehmens ist mittlerweile höher als jener von japanischen Traditionshäusern wie Sony, Fujitsu oder Sharp.

Mit der Zeit gehen

Ganz nach dem Vorbild des US-Konzerns Amazon hat Rakuten kürzlich auch einen E-Reader für den japanischen Markt herausgebracht. „Das Internet verändert alles. Die japanischen Elektronikkonzerne haben zu kämpfen, weil das Galapagos-Umfeld verhindert, dass sie sich anpassen“, sagt Hiroshi Mikitani, CEO von Rakuten. Er selbst versucht den internationalen Anschluss nicht zu verlieren. Erst kürzlich hat Rakuten die Standardsprache der Angebote auf Englisch umgestellt.

Im vergangenen Jahr hat Rakuten den kanadischen E-Reading-Spezialisten Kobo für 315 Mio. US-Dollar gekauft. Vor einem Monat brachte der Konzern den E-Reader „Kobo“ auf den Markt. „Hardware wird zunehmend ein Allerweltsprodukt. Um zu bestehen, muss eine Firma auch Software und Dienstleistungen anbieten und das geht nur mit einem Verständnis für die globale Situation und einem weltweiten Netzwerk“, erklärt Mikitani. Wenn Rakuten dieser Philosophie weiter treu bleibt, muss die japanische Hightech-Industrie sich auf verstärkte Konkurrenz in der Heimat einstellen.

„Generell steht die Elektronikindustrie in Japan nicht so schlecht da. Konkurrenz, globale Finanzkrise, der starke Yen, die manchmal schwerfällige Management-Kultur und die Dreifachkatastrophe haben der Branche zugesetzt, aber die wirklichen Hightech-Komponenten in den meisten Geräten stammen nach wie vor aus Japan oder Korea“, so Chiavacci.

pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Markus Keßler
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