Mit den Neuregelungen wird Menschen, die in eine finanzielle Notsituation geraten sind, schneller als bisher eine zweite Chance eröffnet. Deutschland ist ein Land, das Unternehmensgründungen fördert und jedem Mut zum Aufbruch in die Selbständigkeit machen möchte. Viele – gerade junge – Menschen wagen diesen Schritt in die Selbständigkeit.
Bei einem Scheitern stehen sie oftmals vor einem Riesenberg aus Schulden. Aber auch Verbraucher können leicht und zumeist unverschuldet in die Situation der Zahlungsunfähigkeit kommen – sei es durch Scheidung, Krankheit oder den Verlust des Arbeitsplatzes. Die Zahlen belegen dies: Im Jahr 2011 gab es in Deutschland über 100.000 Verbraucherinsolvenzverfahren und knapp über 20.000 Insolvenzverfahren von ehemals selbständigen Personen. Mit den Neuregelungen stellen wir sicher, dass Existenzgründer und Verbraucher nicht dauerhaft in dem Schuldenturm festsitzen. Sie erhalten schneller als bisher die Chance zum Neuanfang, wenn sie einen Teil ihrer Schulden begleichen.
Die Beschleunigung ist auch im Interesse der Gläubiger, weil die Schuldner erstmals einen gezielten Anreiz erhalten, möglichst viel zu bezahlen. Die Neuregelungen ermöglichen es Schuldnern, im Insolvenzverfahren schon nach drei Jahren statt bisher sechs Jahren von ihren Restschulden befreit zu werden, wenn sie mindestens ein Viertel der Forderungen sowie die Verfahrenskosten bezahlen. Eine Verkürzung von bisher sechs auf fünf Jahre ist möglich, wenn immerhin die Verfahrenskosten vollständig bezahlt werden. Parallel steht künftig auch Verbrauchern das Insolvenzplanverfahren offen. So können nunmehr alle Schuldner innerhalb des Insolvenzverfahrens sich schnell und flexibel mit den Gläubigern einigen.
Die beabsichtigte aktivere Einbindung des Schuldners verbessert auch die Situation der Gläubiger. So wird der Schuldner künftig bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet, zur bestmöglichen Tilgung seiner Schulden eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Verbesserung der Gläubigerrechte trägt auch die Möglichkeit Rechnung, während des gesamten Insolvenzverfahrens Versagungsgründe geltend machen zu können.
Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften sollen in Zukunft in der Insolvenz ähnlich wie Mieter geschützt werden. Aus Sicht der Betroffenen macht es oft keinen Unterschied, ob sie in einer Miet- oder Genossenschaftswohnung wohnen.
Zum Hintergrund:
Nach dem bereits verabschiedeten Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das in seinen wesentlichen Teilen am 1. März 2012 in Kraft getreten ist, wurde nunmehr vom Kabinett der vom Bundesministerium der Justiz vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte beschlossen. Dieser ist Teil eines dreistufigen nationalen Reformplans, der mit der Neujustierung der Konzerninsolvenz seinen Abschluss finden wird.
Der Gesetzentwurf enthält Regelungen zur:
* Verkürzung und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens,
* Stärkung der Gläubigerrechte,
* Umgestaltung des Einigungsversuchs im Verbraucherinsolvenzverfahren,
* insolvenzrechtlichen Stellung von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften.
Verkürzung und Umgestaltung des Restschuldbefreiungsverfahrens
Der Entwurf eröffnet Schuldnern die Möglichkeit, die Dauer des Restschuldbefreiungsver-fahrens von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre zu verkürzen. Diese Möglichkeit besteht, wenn es dem Schuldner gelingt, innerhalb der ersten drei Jahre des Verfahrens mindestens 25% der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten zu begleichen. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung soll zudem nach fünf Jahren möglich sein, wenn zumindest die Verfahrenskosten beglichen werden können. Ansonsten soll es bei der derzeitigen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahren bleiben.
Mit dieser differenzierten Regelung sucht der Entwurf einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners an einer möglichst schnellen Restschuldbefreiung, die ihm eine „zweite Chance“ eröffnet, und den Interessen der Gläubiger an der Realisierung der ihnen zustehenden Forderungen wie auch den Interessen der Landesjustizverwaltungen, welche über die Stundungsregelung des § 4a InsO an der Finanzierung der Insolvenzverfahren beteiligt sind.
Durch die neuen Regelungen wird die Effektivität des Verfahrens gesteigert und den Folgen einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode Rechnung getragen.
Die Möglichkeit einer Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens soll allen natürlichen Personen offen stehen, d.h. sie wird nicht auf bestimmte Personengruppen wie Existenzgründer oder Verbraucher beschränkt.
Möglichkeit der Durchführung von Insolvenzplanverfahren
Künftig wird auch Verbrauchern das Insolvenzplanverfahren eröffnet, um jedem Schuldner während des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit einer flexiblen Entschuldung in Einvernehmen mit seinen Gläubigern an die Hand zu geben.
Stärkung der Gläubigerrechte
Die Wahrnehmung der Gläubigerrechte ist, gerade wenn es um die Erteilung der Restschuldbefreiung geht, teilweise beschwerlich. Die praktischen Schwierigkeiten führen dazu, dass zuweilen die Restschuldbefreiung erteilt wird, obwohl Versagungsgründe vorliegen. Mit den Maßnahmen zur Stärkung der Gläubigerrechte soll dies künftig verhindert werden. Unter anderem ermöglicht der Entwurf es nunmehr den Gläubigern, einen Versagungsantrag auf Restschuldbefreiung sowohl im Regelfall des schriftlichen Verfahrens, wie auch im mündlichen Verfahren jederzeit auch schriftlich zu stellen. Ein solcher Antrag muss spätestens im Schlusstermin vorliegen oder gestellt werden. Der Entwurf will damit auch die Akzeptanz des Instituts der Restschuldbefreiung unter den Gläubigern weiter verbessern.
Umgestaltung des Einigungsversuchs im Verbraucherinsolvenzverfahren Die Effizienz des außergerichtlichen Einigungsverfahrens wird verbessert. Es soll künftig kein außergerichtlicher Einigungsversuch mehr unternommen werden müssen, wenn dieser offensichtlich aussichtslos ist. Hierdurch sollen die begrenzten Ressourcen von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen geschont werden
Schutz von Mitgliedern von Wohnungsgenossenschaften Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften sollen künftig in der Insolvenz – ähnlich wie derzeit bereits Mieter – vor dem Wohnungsverlust geschützt werden. Die vorgeschlagene Regelung soll zugleich verhindern, dass Schuldner ihr Vermögen unbegrenzt als genossenschaftliches Geschäftsguthaben insolvenzfest anlegen können. Damit trägt es auch den Interessen der Insolvenzgläubiger Rechnung.
Bundesministerium der Justiz