Seattle – Internet-Händler Amazon investiert enorme Summen, um seinen Kunden die Waren bereits am Tag der Bestellung liefern zu können, wie Slate.com berichtet. Durch ein dichteres Netz von Lagerhäusern, Einsatz von Robotern und die Einrichtung von Abhol-Schließfächern in diversen Geschäften soll die Lieferzeit kontinuierlich reduziert werden, bis die Lieferung am nächsten Tag zum Standard wird und das garantierte Eintreffen der bekannten Karton-Päckchen am selben Tag gegen einen geringen Aufpreis möglich ist. Derzeit vollzieht sich der Strategiewechsel vor allem in den USA, Maßnahmen in UK sind erste Vorboten für Europa.
Todesstoß für den Einzelhandel
In den USA hat Amazon lange Zeit einen Riesen-Vorteil gegenüber den Offline-Geschäften genossen. In den meisten Bundesstaaten musste die Verkaufssteuer nur von Geschäften mit „physikalischer Präsenz“ entrichtet werden, wodurch Amazon im Schnitt etwa zehn Prozent billiger war als die Konkurrenz. Jetzt ändern viele Bundesstaaten dieses Modell. Anfangs versuchte Amazon mit allen Mitteln gegen entsprechende Gesetzesänderungen vorzugehen, mittlerweile ist der Internet-Konzern aber verdächtig ruhig geworden. Grund ist der Strategiewechsel hin zur schnelleren Lieferung, für die in fast allen Staaten Lagerhäuser, sprich physikalische Präsenzen, nötig sind. So wird ohnehin Verkaufssteuer fällig.
Für die Offline-Konkurrenz ist Amazons neuer Plan weitaus gefährlicher als der alte, greift die Internet-Plattform damit doch eine der letzten Vorteile von Geschäften aus Stein und Glas an, nämlich die unmittelbare Verfügbarkeit der Waren. Schafft Amazon es tatsächlich, die Lieferzeit auf unter zwölf Stunden zu drücken, gibt es kaum mehr einen Grund, sich den Rummel in Einkaufstraßen und Shopping-Zentren anzutun. In Europa hatte Amazon nie dieselben Steuervorteile wie in den USA. Zwar ist die Zentrale steuerschonend in Luxemburg angesiedelt, das Unternehmen zahlt für den Versand in die einzelnen Länder die jeweils geltende Mehrwertsteuer, außer bei Artikeln, die davon befreit sind.
Kreative Gegenmittel
„Die Expresslieferung am nächsten Tag gibt es in Deutschland schon. Ich glaube, dass die Bedrohung für den stationären Handel sich durch kürzere Lieferzeiten nicht ändert. Die Ausschaltungsgefahr ist zwar gegeben, aber es gibt immer kreative Wege, um zu bestehen. Beratung durch Fachkräfte, spezialisierte Sortimente, eigene Hauszustellung, Kulanz bei der Bezahlung sind Dinge, die stationäre Einzelhändler nutzen können, um sich von Amazon abzuheben“, erklärt Hans-Otto Schenk, Autor und Experte für Handelspsychologie http://bit.ly/L0pDWF , im Gespräch mit pressetext.
Angst vor Amazon ist laut dem Experten nicht angebracht. „Den Kopf in den Sand zu stecken, wäre falsch. Vielleicht wären auch Kooperationen mehrerer Einzelhändler ein probates Mittel, um beim Kunden das Bewusstsein für die Vorzüge stationärer Geschäfte zu wecken. Die Buchhändler sind ein gutes Beispiel dafür, wie Gerschäfte trotz Online-Konkurrenz bestehen können, indem sie Nischen besetzen“, so Schenk.
Milliarden-Investitionen
Amazon ist anscheinend bereit, Milliarden zu investieren, um die Sofort-Lieferung Wirklichkeit werden zu lassen. Allein für neue Logistikzentren in diversen US-Bundesstaaten wird Amazon dieses Jahr weit über eine Mrd. Dollar investieren und zehntausende neue Arbeiter engagieren. Anfang 2012 hat der Internet-Händler zudem Kiva Systems erworben, einen Hersteller von Sortier-Robotern, die es ermöglichen die Lieferzeiten und Fehlerraten weiter zu reduzieren. In Seattle, New York und London hat Amazon Verträge mit Drogerien und Supermärkten geschlossen, die das Aufstellen von Schließfächern ermöglichen. Dort können Kunden ihre Ware mit einem Code abholen, falls sie zum Lieferzeitpunkt nicht zuhause sind. Kunden in den USA berichten, dass sich die Wartezeit auf Amazon-Bestellungen bereits im Verlauf der letzten Monate reduziert hat.
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Markus Keßler
Einkaufswagen: weniger Bedarf dank Amazon (Foto: pixelio.de, khv24)