Aas/Wien/Hamburg – Betagte Honigbienen können ihrem Gehirn eine Art „Verjüngungskur“ verpassen: Übernehmen sie soziale Aufgaben im Bienenstock, die gewöhnlich jüngere Artgenossen erledigen, werden sie dadurch lernfähiger und verändern ihre grauen Zellen auf Molekülebene. Das berichten Forscher von der Norwegian University of Life Sciences http://umb.no mit US-Kollegen in der Zeitschrift „Experimental Gerontology“. Vielleicht fördern auch beim Menschen ähnliche Interventionen die geistige Frische bis ins hohe Alter, hoffen die Wissenschaftler.
Ältere Babysitter
Im Experiment entfernten die Forscher alle Ammenbienen aus einem Bienennest und ließen die Königinnen allein bei den Bienenlarven zurück. Nachdem die Sammelbienen, die älter sind als die Ammen, von ihrer Arbeit zurückgekommen waren, organisierte sich der Stock binnen kurzem neu: Einige Sammelbienen machten sich wieder auf Nahrungssuche, die anderen blieben im Nest und kümmerten sich um den Nachwuchs.
Nach zehn Tagen übertrafen die neuen „Babysitter“ ihre gleichsemestrigen Kollegen in der Lernfähigkeit signifikant. Eine Untersuchung des Gehirns zeigte zudem, dass nur sie das Protein Prx6 gebildet hatten, das auch bei Menschen in einigen Organen Zellen vor Beschädigung durch Stress schützt, sowie ein zweites Begleiterprotein. Forschungsleiter Gro Amdam vermutet, dass beide Eiweiße eine Spontanreaktion auf spezifische Anforderungen durch neue soziale Erfahrungen sind, für die es auch beim Menschen Pendants geben könnte.
Aktiv gegen den Gehirntod
„Während ein monotones Leben ohne Herausforderungen oder Krankheiten wie Depressionen das Gehirn auf Sparflamme laufen lässt, hält Neugier anpassungsfähig“, erklärt Katharina Pils, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie http://www.geriatrie-online.at , gegenüber pressetext. Beispiele liefern hochbetagte Dirigenten oder Schauspieler, die bei der Übernahme von stets neuen Rollen länger aktiv bleiben. Aus dieser Perspektive sei die Verlängerung des Arbeitslebens ebenso sinnvoll wie ein Berufswechsel alle sieben Jahre oder eine verantwortungsvolle Tätigkeit im Ehrenamt.
Menschen sind nicht Bienen
„Stoffwechselaktivität und Funktionstüchtigkeit des gesunden, alternden Gehirns hängen auch beim Menschen zusammen“, bestätigt die Altersforscherin Jennifer Anders von der Geriatrischen Klink im Albertinen-Haus http://albertinen.de im pressetext-Interview. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Gehirn älterer Menschen andere Prioritäten hat: Statt dem Lernen neuer Inhalte spezialisiert es sich vor allem auf das Problemlösen und Vermitteln.
Die Brutpflege der Bienen ist laut Anders eine große Herausforderung, da der Drang zum Arterhalt in der Natur die Maximalressourcen mobilisiert. „Beim Menschen ist er vielleicht mit dem Elternwerden vergleichbar, nicht jedoch mit dem gelegentlichen, gemeinsamen Spiel von Oma und Enkel. Bienen werden zudem nicht im selben Maße wie Menschen hochaltrig und das Individuum hat gegenüber dem Wohl des Bienenstockes kaum Bedeutung.“
Demenz erfordert Stabilität
Menschen unterscheiden sich auch darin, dass die Erfahrung und Kreativität des Einzelnen ebenso wichtig ist wie die stoffliche Erbinformation, die Gene. Bis weitere Untersuchungen die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Menschen klären, bleibt der Rat, sich im Alter neue körperliche und geistige Herausforderungen zu suchen. Davon ausgenommen sind ältere Menschen, deren Gehirn durch schwere Erkrankungen wie Demenzen dauerhaft geschädigt ist, betont Anders. „Diese brauchen eine stabilisierende, ruhige Umgebung.“
Link zur Studie: http://sciencedirect.com/science/article/pii/S0531556512001258
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Johannes Pernsteiner
Bienen: sollen über Menschenhirn Auskunft geben (Foto: pixelio.de/Dumat)