Luzern/Berlin – Selbst ein kleiner, lokal begrenzter Atomkrieg könnte über einer Mrd. Todesopfer fordern: So stark ist die zu erwartende Schädigung des globalen Klimas, der Ökosysteme und in Folge der landwirtschaftlichen Produktion. Das zeigt eine Studie der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) http://ippnw.org . Die vom Schweizer Außenamt finanzierte Forschung wurde am gestrigen Mittwoch beim Weltgipfel der Friedensnobelpreisträger in Chicago vorgestellt und erscheint im Fachblatt „Climate Change“.
Folgen für Klima und Mensch
Bereits ein lokal begrenzter Atomkrieg mit beschränktem Atomwaffenarsenal sorgt dafür, dass es infolge des hochgewirbelten Rauches und Staubes in der Stratosphäre weltweit kälter wird und auch die Niederschläge zurückgehen. „Nachdem die Klimaeffekte bereits bekannt waren, wollten wir nun die Auswirkungen auf den Menschen erheben“, erklärt Xanthe Hall, Atomwaffenexpertin bei IPPNW Deutschland http://ippnw.de , im pressetext-Interview. Das Ergebnis: Zehn Jahre lang würde die Mais- und Reisproduktion um durchschnittlich zehn Prozent sinken, wobei die schlimmsten Folgen bis zu 30 Prozent Rückgängen in den ersten fünf Jahren zu erwarten wären.
Die Folgen dieses Szenarios reichen jedoch noch weiter: Angesichts der steigenden Lebensmittelpreise würden hunderte Mio. Menschen jeglichen Zugang zu Nahrung verlieren, und auch bei aufrechten Agrarmärkten wären binnen zehn Jahren 215 Mio. Menschen unterernährt. Panik und Hamsterkäufe infolge der Ertragsminderung würden zu weiteren Verknappungen führen, die am meisten Leidtragenden wären jedoch die schon heute 925 Mio. chronisch Unterernährten: Eine zehnprozentige Reduktion ihrer heutigen Zufuhr von durchschnittlich 1.750 Kalorien bedeutet für sie Lebensgefahr.
Gefahr auch ohne nuklearen Winter
Die Analyse ist nicht aus der Luft gegriffen: Pakistan und Indien haben soeben innerhalb einer Woche zwei atomwaffenfähige Langstreckenraketen mit 5.000 Kilometer Reichweite getestet. Das Wettrüsten stellt die im Vorjahr neu aufgenommenen Friedensgespräche vor eine Probe. Zankapfel sind nach wie vor die Gebietsansprüche auf die Kaschmir-Region, die die Erzrivalen schon 2002 an den Rande eines Atomkriegs gebracht haben. „Die Studie ging vom Abwurf von 100 Atomwaffen der Größe der Hiroshima-Bombe aus. Diese Größenordnung wäre im Kaschmir-Konflikt, jedoch auch im Nahen Osten denkbar“, so Hall.
Deutlich wurde, dass es keinen von den großen Atommächten ausgelösten „Nuklearen Winter“ benötigt, um die gesamte Menschheit zu schädigen. „Die Atomwaffenstaaten dürfen sich nicht mehr auf ihre Atomwaffen verlassen. Sie müssen so schnell wie möglich eine Nuklearwaffenkonvention aushandeln, die diese Waffen vollständig ächtet“, so die dringende Botschaft der Studienautoren. Darüber hinaus sei weitere Forschung nötig, um die Verluste in der Mais- und Reisproduktion zu bestätigen und die Folge der Ernteausfälle auf die Kalorieneinnahme und den Spurenelementen-Mangel genauer zu erforschen.
pdf-Download der Studie unter http://bit.ly/IbauXq
pressetext.redaktionAnsprechpartner: Johannes Pernsteiner
Atomwaffen-Versuchsgelände: Atomkrieg wirkt immer global (Foto: Flickr/Siasoco)